Reflexionen zu umstrittenen Themen
Kaum ein Wort wird derart inflationär von Berufenen und Unberufenen benutzt wie das Wort NATUR; allenfalls die ÖKOLOGIE wird derart ge- und missbraucht. Die entsprechenden Adjektive und Adverbien natürlich und ökologisch unterliegen ebensolchem Sprachmissbrauch.
Wenn man des Gegensatzpaar KULTUR ≠ NATUR näher betrachtet, kommt man „der Natur auf die Spur“: Im deutschsprachigen Raum ist KULTUR immer mit menschlicher Tätigkeit und menschlichem Denken verbunden; der englische Begriff >>civilization<< meint ähnliches, ist aber umfassender. Man könnte etwas flapsig behaupten, Kultur sei domestizierte Natur. Mit Ablauf der (vorläufig) letzten Eiszeit, also vor etwa 12 bis 10.000 Jahren, veränderte der Mensch allmählich seine nomadische Lebensweise als Jäger und Sammler: Die erfolgreiche „Veredlung“ einiger Arten von Wildgräsern zu nutzbaren Getreidearten war Voraussetzung zu dauerhafter Sesshaftigkeit, da Getreidevorräte wesentlich die Grundversorgung einer sesshaften Menschengruppe beitrugen. Von den ersten primitiven Feldbauern konnte keiner ahnen, geschweige denn sich vorstellen, dass ihr Experiment „Sessilität“ binnen 10.000 Jahren zu Mega-Metropolen und absoluter Überbevölkerung der Erde ausarten würde.
Wenn NATUR der Gegensatz von KULTUR ist, kann und darf nur dann von ursprünglicher Natur gesprochen werden, wenn der Mensch (Homo sapiens L. 1758) keinerlei Einfluss auf seine belebte und
unbelebte Umgebung genommen hat, also keine anthropogenen Veränderungen erfolgt sind; insofern ist ursprüngliche Natur auf der Erde allenfalls noch im Promillebereich vorhanden. Der Großteil ist
bestenfalls naturnah, vielfach jedoch devastiert, massiv verändert und zerstört.
Von menschlichen Eingriffen verschont gebliebene ÖKO-Systeme finden sich allenfalls spärlich, werden vermutlich bis zum Ende des 21. Jahrhunderts endgültig verschwunden sein.
Der Mensch, das ambivalente Säugetier
Das große Problem von Homo sapiens ist seine Ambivalenz: Als Säugetier untersteht der Mensch denselben Gesetzmäßigkeiten wie die übrigen Placentalia (Plazentatiere): Er ist nicht
unsterblich, er ist empfänglich für virale, bakterielle und parasitische Krankheitserreger, kann durch diese letal erkranken. Der Gesamtorganismus muss anatomisch-physiologischen Vorgaben folgen
ebenso den Gesetzmäßigkeiten von Physik und Chemie (Naturgesetze). Andererseits macht der Mensch als „Besitzer“ eines etwas höher entwickelten Zentralnervensystems als die übrigen Säugetiere
durchaus „sein eigenes Ding“ und das seit 1,8 Mio. Jahren, insbesondere jedoch während der vergangenen rd. 10.000 Jahre. Dank seines hochentwickelten Gehirns ist der Mensch in der Lage
gleichermaßen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu denken, zudem ist er zu virtuellem Denken befähigt, was ihn Religionen und Ideologien erfinden sowie sich selbst in den Mittelpunkt seiner
realen und spirituellen Umwelt stellen ließ (Anthropozentrismus): Blumig umschrieben als „Krone der Schöpfung“. Das (nicht nur) biblische „Macht Euch die Erde untertan!“ erfolgte quasi
automatisch.
Die gelungene Zusammenarbeit von hochentwickeltem Gehirn und anatomisch brillanter Vordergliedmaße, sprich Hand, ermöglichte Begreifen von Dingen und Zusammenhängen, unterstützt durch
genetisch fixiertes lebenslanges Neugierverhalten.
Aufgrund seiner Gesamtausstattung ist der Mensch geradezu „verdammt“, seine Umwelt und sein eigenes Dasein permanent zu verändern. Dieser Zwang zur Veränderung führte im Verlauf vieler
Jahrhunderte auch zu gewaltigen Umbrüchen im beinahe irrealen Wirtschafts- und Finanzwesen:
Realer Tauschgegenstand, z. B. pecus = Vieh Pecunia – Geld in Form von Münzen aus Edelmetall Ersatz durch minderwertiges Metall mit beliebigem Nennwert- die bahnbrechende Erfindung: Papiergeld – billiges Ausgangsmaterial wird durch Bedrucken mit Zahlenwerten wertvoll (gilt nicht bei Inflationen)
Erfindung von Aktien und anderen Derivaten schließlich virtuelle Währungen, z.B. Bitcoins sowie andere
Internet-Phänomene…
Gleichgültig, wie Personen, Institutionen oder Unternehmen zu Reichtum kamen oder kommen, Fakt ist: Geld bedeutet Macht und Möglichkeiten!
Naturschutz
Aus dem Vorstehenden müsste klar geworden sein, dass absolute Natur, also vom Menschen vollkommen unbeeinflusste Natur auf unserem Planeten praktisch nicht mehr besteht, insbesondere wenn man unter Natur „nur“ die Gesamtheit der lebenden Organismen verstehen will, das Große Unbelebte – Gesteine, Böden, Wasser, Luft, Atmosphäre, Klima, Niederschläge, Gezeiten u. v. a. m. – aber unberechtigterweise „außen vor“ lässt.
Anthropozentrischer Naturschutz – Beispiel: Schützt die tropischen Regenwälder, denn sie könnten Pflanzen beherbergen, die als Quellen für zukünftige Human-medikamente dienen könnten – und physiozentrischer Naturschutz, der den Erhalt und Schutz aller Lebewesen (und aller Dinge der unbelebten Natur) als seine Aufgabe betrachtet, werden sich m. E. nicht zu einem harmonisierenden Ganzen vereinigen lassen. Es sei denn, ernsthafte Philosophen fänden doch noch den „Stein der Weisen“, was wenig wahrscheinlich ist bei einer Weltbevölkerung von über sieben Milliarden Menschen.
Gleichgültig welche Art von Naturschutz betrieben wird und auf welche Weise, Naturschutz erfordert Geld, viel Geld und Personal, wobei das Engagement der Ehrenamtlichen von unschätzbarem Wert
ist. An Finanzen stehen zur Verfügung: Gelder der öffentlichen Hand (letztlich Steuergelder), Gelder von Natur- und Umweltschutzverbänden (die man in der BRD durchaus als Unternehmen bezeichnen
kann), Spenden von Privatpersonen für bestimmte Projekte sowie Mittel von Stiftungen und Firmen. Bei der gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Lage in der BRD (2018), müsste der Zufluss von
Mitteln für Naturschutzmaßnahmen zumindest zufriedenstellend sein, trotz Trumpzöllen und Disharmonien innerhalb der EU.
Wenn ein Naturschutzvorhaben zum Projekt geadelt wird (Beispiel: Luchsansiedlungen in verschiedenen Bundesländern), ist zwar viel Papier auszufüllen, aber sobald das offizielle
(ministerielle) Plazet erfolgt, kann Geld durchaus reichlich fließen; selbst dann, wenn bestimmte Maßnahmen eines Projekts bei externen Fachleuten durchaus Zweifel aufkommen lassen.
Schutzgebiete – terrestrische wie maritime – wie großflächig sie auch sein mögen, sind heute (21. Jahrhundert) direkt oder indirekt anthropogen beeinflusst und sei es „nur“ durch Schadstoffeintrag aus bewirtschafteten Flächen, wie z. B. Luftverfrachtung von Herbiziden aus der Landwirtschaft.
Spätestens seit dem Ende des zweiten Weltkrieges erlebte Europa massive Veränderungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Bereich der Seefischerei. Mit Gründung der EWG im westlichen Europa lautete die Devise für die Landwirtschaft „Massenproduktion bringt dem Bauernstand sicheres Einkommen“, in den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes sollte kollektives Wirtschaften der Bevölkerung Wohlstand bescheren; der Erfolg war eher bescheiden. Nach Zusammenbruch des sog. Sozialismus und mit der deutschen Vereinigung 1989/90 begann im Gebiet der ehem. DDR eine massive Umstrukturierung und Umstellung der Landwirtschaft, die sich freudig dem EU-Diktat der Massenproduktion unterordnete.
Allerdings war kurz zuvor, d. h. wenige Tage vor der Übernahme des DDR-Gebietes durch die BRD, ein großartiger Coup gelungen: Die gesetzliche Festlegung von Biosphärenreservaten durch weitsichtige und mutige Naturschützer um Prof. Michael Succow. Hierdurch wurden erstaunlich große Flächen davor bewahrt, zu reinen Massenproduktionsflächen zu verkommen.
In der ngegenwärtigen der Bundesrepublik existiert eine Vielzahl irgendwie geschützter Flächen mit unterschiedlichem Schutzstatus:
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Nationalparke mit meist zu geringer Flächenausstattung
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Naturschutzgebiete, oft zu klein, oft inselartiger Charakter
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Biosphärenreservate
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Naturdenkmale
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Naturparks
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Landschaftsschutzgebiete, wobei diesen und den Naturparken in der Praxis eher Alibifunktionen zukommen.
Der Schutzstatus der Gebiete ist insgesamt löcherig, wie ja auch das Bundesnaturschutzgesetz eine Fülle von Ausnahmeregelungen aufweist; bösartig könnte man es als „Naturschutzverhinderungsgesetz“ bezeichnen. Eine gründliche Neufassung bei gleichzeitiger Streichung zu vieler „Schlupflöcher“ erscheint dringend erforderlich!
Die übrigen unbebauten und noch nicht versiegelten Flächen dienen vornehmlich hoch intensiver Landwirtschaft und einer Forstwirtschaft, die als nachhaltig zu bezeichnen, häufig schwerfällt; auch
hier gilt überwiegend das Diktat der Quantität. Und ein beträchtlicher Teil noch unbebauter Fläche unterliegt dem Gesetz „unvermeidlicher“ Versiegelung durch Straßenbau, Errichtung von
Gewerbeflächen und Wohnbaumaßnahmen.
Trotz leichten Rückgangs ist der Flächenverbrauch in der BRD immer noch bedenklich hoch; Grund zur Hoffnung auf drastische Änderung besteht gegenwärtig und zukünftig kaum.
Fast ungezügelter Straßenbau hat in den vergangenen Jahrzehnten großflächig Landschaften zerschnitten und verbraucht, wobei von Planern und Konstrukteuren „vergessen“ wurde, an Fernstraßen und
Autobahnen Grünquerungen einzuplanen und zu errichten, um wenigstens die Zerschneidung der Landschaften etwas abzumildern.
Die intensivierte Landwirtschaft mit mangelhafter Fruchtfolge und Bewirtschaftung immer größerer Flächen in Monokultur hat massiv zum Verlust von Biodiversität geführt. Leidtragende sind
Wildblumen, das Gros der Insektenarten, Vögel und Säuger der Offenlandschaften. In den 1950er Jahren noch allerorten regelmäßige Arten wie Rebhuhn, Kiebitz, Brachvogel und Feldhase, um nur einige
zu nennen, sind selten geworden, regional sogar ausgestorben. Überdüngung, massiver Pestizideinsatz und Einsatz immer schwererer Maschinen führten zu massivem Artenschwund, Bodendegradierung und
Bodenerosion sowie zu Gefährdung bzw. Verseuchung von Grundwasser.
In der Forstwirtschaft hat die Intensivierung der Holzernte mit stetig steigendem Einsatz schwerer und schwerster Technik sowie dadurch bedingten viel zu engem Rückegassennetz zu Deformierung des
Bestandsgefüges und zu enormen Bodenschäden geführt. Letztlich wurden und werden die Wasseraufnahmekapazität und die Wasserhaltefähigkeit der Wälder durch moderne Forstwirtschaft massiv
beeinträchtigt. Von Natur im Walde kann kaum noch die Rede sein, es sei denn, alles, was grün ist, würde als Natur bezeichnet. Dann wäre auch der riesige Maisacker als Natur zu bezeichnen,
wenigstens als temporäre. Übrigens, 2017 entsprach die Maisanbaufläche in der BRD dem gut Neunfachen der Fläche des Großherzogtums Luxemburg oder etwa der zweifachen Fläche der Insel Korsika.
Nach dieser recht „großkörnigen“ Naturbetrachtung, die Feuchtgebiete, Moore, Fließ- und Stillgewässer – obwohl extrem wichtige Landschaftselemente – nicht berücksichtigte, folgen Überlegungen zu
zwei Tierarten, die in den beiden letzten Jahrzehnten die Naturschutzbehörden und Naturschutzorganisationen intensiv beschäftigten. Abgesehen davon, dass etwas, das im ganz strengen Sinne in der
BRD nicht existiert, nämlich NATUR, geschützt werden soll, bleibt eine gewichtige Frage offen: Sind die amtlich als Naturschutzverbände anerkannten DJV (Deutscher Jagdverband) und die
Landesjagdverbände wirklich Vereinigungen, die bundesrepublikanische Restnatur wirklich schützen wollen und können? Absichtserklärungen sind wohlfeil und Papier ist geduldig. Gleiche Fragen und
Überlegungen gelten den Verbänden der sog. Sportfischerei.
Der Wolf, Canis lupus L. 1758
Von allen landbewohnenden Karnivoren besaß der Wolf, bevor mit Feuerwaffen, Gift, Fallen und Schlingen die systematische Ausrottung begann, das größte Verbreitungsgebiet, nämlich – bis auf Afrika und feuchttropische Gebiete Südasiens – die gesamte Nordhalbkugel unseres Planeten. Außer Hochgebirgen und extremen Wüsten bewohnt(e) er praktisch jedes mögliche Habitat. Mit dem Wolf ist der Evolution ein ganz großer Wurf gelungen. [Frage: Ist es statthaft, die Evolution zu personifizieren?]
Welche, in langer Evolution erworbenen Eigenschaften zeichnen diese Tierart aus?
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Komplexes Sozialgefüge, das verblüffend an das des Menschen erinnert: Kernfamilie, die aus dem reproduzierenden Paar (i. a. lebenslange Bindung nach dem Motto „bis dass der Tod Euch scheidet“) und den Welpen des aktuellen Jahrgangs besteht sowie aus Welpen des Vorjahres (= Jährlinge). Diese verlassen i. d. R. im Alter von 1 ½ bis 2 Jahren die Familie, um eigenen Lebensraum und einen Paarungspartner zu finden.
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Das Wolfspaar besetzt ein mehr oder weniger großes Revier (in der Lausitz ~ 200-300 km², in weniger günstigen Regionen ein Mehrfaches dessen), in dem fremde Wölfe nicht geduldet werden.
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Dank vorzüglicher Sinnesorgane, wobei die Augen eher auf Bewegungssehen gepolt sind, erhält der Wolf ausreichend Informationen, potentielle Beutetiere frühzeitig zu entdecken und effektiv zu bejagen und zu töten, wobei die Jagd im Rudel die Erfolgschancen deutlich erhöht. Das Beutespektrum kann weit gefächert sein, wobei opportunistisches Verhalten bestimmend ist; wirklich wehrhaftes Wild wird eher gemieden. Aas/Fallwild und gelegentlich sogar Obst können den Speisezettel erweitern. Wo Gelegenheit besteht, werden auch offene Müllkippen zur Nahrungsaufnahme aufgesucht, wie z. B. in Rumänien. Unzureichend gesicherte Haustiere, v. a. Schafe können den Speisezettel bereichern
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Der Wolf ist ein ausdauernder Hetzjäger und ein sehr ökonomischer Dauerläufer: Im kräftesparenden Schnürtrab kann er in einer Nacht problemlos 50 km (und mehr) zurücklegen; die Chance, bei diesen Reviergängen auf Beute zu stoßen, ist recht groß. Jungwölfe, die das Elternrevier verlassen, um ein eigenes Revier und/oder einen
- Paarungspartner zu finden, können dank förderndes Schnürtrabs erstaunliche Strecken zurücklegen. Den Rekord stellte der mit GPS -ausgestatte Jungrüde „Alan“ auf, der von der Oberlausitz bis nach Belarus wanderte. Da auf weißrussischem Gebiet keine Signale mehr gesendet wurden, ist anzunehmen, dass, so der Sender nicht defekt war, „Alan“ dort erschossen wurde.
Zusammenfassend: Der Wolf ist ein hoch sozialer, intelligenter Beutegreifer, ausgestattet mit anatomischen und physiologischen Eigenschaften, die ihn in fast jedem Habitat erfolgreich operieren lassen.
Erst nachdem mit dem Einigungsvertrag auf dem Gebiet der ehemaliges DDR Bundesrecht und Europarecht Geltung erhielten, konnte der Wolf sich bleifrei von Polen aus gen Westen ausbreiten. Im Jahr 2000 kam in der Oberlausitz der erste Wurf Wolfswelpen auf deutschem Hoheitsgebiet zur Welt, nach weit über 100 Jahren! Und damit begann eine Erfolgsgeschichte für eine Tierart, deren Dynamik Befürworter wie Gegner gleichermaßen überraschte.
Aber obwohl des Menschen „bester Freund“, der Haushund, zweifelsfrei vom Wolf abstammt, ist das Verhältnis Mensch – Wolf fast immer ambivalent, kaum ein Beutegreifer polarisiert derart wie Canis
lupus! Seine Protagonisten überhöhen ihn bisweilen zu einem Gott, seine militanten Gegner verdammen ihn als „grässliches Raubtier“, das es mit Stumpf und Stiel auszurotten gilt.
Nach FFH- Richtlinie, laut Bundesdeutschem Naturschutzgesetz und Berner Konvention ist die Art Canis lupus eine streng geschützte und zu schützende Tierart. Das wirft eine Frage auf: Die
Jagdverbände auf Bundes- und Landesebene sind als Naturschutzverbände (s. o.) amtlich anerkannt, weshalb eigentlich alle Jagdscheininhaber beiderlei Geschlechts sich ohne Vorbehalt für den Schutz
dieser Tierart einsetzen müssten oder…? Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus.
Todesursachen für Wölfe in der Bundesrepublik sind komplex:
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Natürlicher Tod durch Alter oder/und intraspezifische Auseinandersetzungen mit letalem Ausgang.
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Verkehrsunfälle durch Schienen- und Straßenverkehr. Tödliche Unfälle im Straßenverkehr ließen sich deutlich reduzieren durch Wildquerungen unter Verkehrswegen oder über Verkehrswegen (Grünbrücken), eingerichtet als einladende Zwangswechsel.
Drastisches Tempolimit auf 50 km/h auf Straßen mit häufigen Wild- und Wolfquerungen; strenge Überwachung durch stationäre und mobile Radaranlagen; wildsichere Zäune an Bundesautobahnen.
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Illegale Tötung von Wölfen durch Schusswaffengebrauch von (wahrscheinlich!) Jagdlizenz-Inhabern. Die drei SSS sind kein Ruhmesblatt für die Jägerschaft, das allenfalls noch „gekrönt“ wird durch Enthauptung eines illegal getöteten Wolfes und die provozierende Zurschaustellung des Wolfskopfes. Soweit informiert, wurde bisher kein Wolf durch vergiftete Köder oder Kadaver umgebracht.
Spätesten seit „Kurti“ vom Truppenübungsplatz „Munsterlager“ ist der Begriff Problemwolf in aller Munde, wobei die Begriffsbestimmung wenig präzise ist, eine Gemeinsamkeit mit dem Begriff
„Deutsche Weidgerechtigkeit“. Wie dem auch sei, unter bestimmten Voraussetzungen kann ein „Problemwolf“ der Wildbahn letal entnommen werden, also geschossen werden.
Die neutralste und wahrscheinlich effektivste Entnahme könnte m. E. durch amtlich bestellte und vereidigte Berufsjäger erfolgen, so wie es in der Schweiz die Regel ist. Und schon erheben sich
massive Proteste seitens der Revierpächter oder Revierinhaber. Denn allein sie kennten durch tägliche Anwesenheit in den Revieren – bei vielen Pächtern heißt täglich: von Freitagnachmittag
bis Sonntagabend – ihr Jagdgebiet durch und durch. Bei einer angenommen Reviergröße des Wolfsrudel X von 250 km² = 25.000 ha können leicht mehr als 200 Pacht- und Eigenjagdbezirke zusammenkommen,
was der deutschen
Mindestrevierfläche von75 ha = 0.75 km² geschuldet ist. Wird jetzt der Wolf X, der sich weder durch Ohrmarke, GPS-Halsband oder markante Fleckenzeichnung (wie beim Luchs) von seinen
Rudelmitgliedern unterscheidet, zur letalen Entnahme freigegeben, so liegen binnen Kurzem zwei und mehr Problemwölfe auf der Strecke. Dem Hobbyjäger, selbst wenn er Revierpächter ist, sollte man
die Beseitigung von sog. Problemwölfen nicht übertragen!
Auf detaillierte Habitatansprüche von Wölfen wurde im Vorstehenden nicht eingegangen. Selbst sehr kultivierte oder zivilisierte Landschaften genügen bei ausreichender Wilddichte und weitestgehend ungestörter Wurfhöhle sowie der Möglichkeit, sog. Rendezvous-Plätze zu etablieren.
Drei Gruppen von Akteuren sehr unterschiedlicher Zielsetzungen werden durch die polarisierende Tierart Wolf eingebunden, zu Aktionen veranlasst: Jäger, Viehhalter und Naturschützer, wobei die Interessen deutlich divergieren, Dem Menschen, dem Karl von Linné den wissenschaftlichen Namen Homo sapiens gab, sapiens im Sinne von weise, einsichtig, müsste es doch möglich sein, praktikable Problemlösungen zu finden. Indes, gegenwärtig liegt eine bundesweite Lösung noch in weiter Ferne, nicht zuletzt auch wegen widersprüchlicher Äußerungen in Bundes-, Landes- und Regionalpolitik, die oft Fachkenntnis vermissen lassen.
Von der Politik ist zu fordern, dass sie sich ernsthaft und ehrlich einbringt, Substantielles liefert und den Wolf nicht zu billiger Wahlkampfpolemik missbraucht.
Der Luchs, Lynx lynx L. 1758
Der zweite Beutegreifer, der allgemeines Interesse findet, teilweise sogar erregt, ist beinahe das Gegenteil von Canis lupus L 1758. Der europäisch-asiatische Luchs, Lynx lynx L 1758, ist eine große Katze, aber keine Großkatze, denn im Gegensatz zu Tiger, Löwe, Leopard oder Jaguar kann der Luchs schnurren wie die Wildkatze oder jedes beliebige Hauskätzchen.
Anatomisch-physiologisch, im Sozialerhalten und im Jagdverhalten weisen den Luchs als typische Katze aus. Hör- und Sehvermögen sind hervorragend, wobei durch den kurzen Angesichtsschädel und die
Stellung der Augen binokulares Sehen deutlich ausgeprägt ist, was für den Jagderfolg wesentlich ist. Das Riechvermögen ist weniger gut ausgeprägt als beim Wolf. Im Vergleich zum Wolf ist das
Herz-Kreislauf-System des Luchses nur begrenzt belastbar, weshalb sich Jagdverhalten von Luchs und Wolf krass unterscheiden. Im Gegensatz zum Lauf- und Hetzjäger Wolf, formte die Evolution den
Luchs zu einem lautlosen Pirschjäger, der sich seiner Beute so nah wie möglich nähert, um sie dann mit sprunggewaltigen Sprint zu erreichen und zu töten (Nacken- oder Drosselbiss). Nicht jeder
Pirsch ist erfolgreich, denn auch die Beutetiere sind „durch die harte Schule der Evolution“ gegangen (survival oft he fittest, um mit Charles Darwin zu sprechen). Ansitzjagden sind beim Luchs
eher die Ausnahme; der auf dickem Ast lauernde Luchs, der sich aus lichter Höhe auf seine Beute stürzt, entsprang wohl eher der Phantasie früherer Künstler denn der Realität.
Die Beute – in Mitteleuropa bevorzugt Rehe, aber auch Hirschkälber, Frischlinge und andere – wird möglichst in guter Deckung angeschnitten, verzehrt wird bevorzugt das Muskelfleisch. Die
angeschnittene Beute wird verblendet (Blätter, Erde, Schnee). Zum Fressen kehrt der Luchs zum Kadaver zurück. Wenn der Kadaver von „Mitfressern“ - Fuchs, Dachs, Marder und Rabenvögel – verschont
bleibt, stellt ein Reh eine Wochenration für einen Luchs dar.
Luchse bevorzugen deckungsreiches Gelände (Wald im weiteren Sinne) mit ausreichendem Wildbestand bzw. –besatz und mit vom Menschen möglichst ungestörten Bereichen und adäquaten Strukturen zur Aufzucht der Welpen wie Wurzelteller geworfener Bäume, Erdhöhlen oder passende Gesteinsformationen.
Das Sozialgefüge des Luchses unterscheidet sich deutlich vom Sozialverhalten des Wolfes. Luchse sind prinzipiell solitär lebend. Jedes fortpflanzungsfähige Weibchen errichtet ein Revier, in dem keine anderen Weibchen geduldet werden; Jungtiere müssen spätestens im Frühjahr ihres zweiten Lebensjahres, also als Jährlinge das Revier ihrer Mutter verlassen. Das Revier eines Kuders ist deutlich größer als das Revier einer Katze, es kann zwei oder drei Katzenreviere umfassen. Der Sozialkontakt zwischen Revierkuder und seinen 2-3 Katzen beschränkt sich auf die Ranzzeit. Nach vollzogener Begattung „verkrümelt“ sich der Kuder und geht seiner Wege. Die anstrengende Jungenaufzucht ist alleinige Aufgabe der Katze.
Bei der Wiederansiedlung wurde nicht immer streng darauf geachtet, welchen Populationen die Tiere entstammten. Einige der in Deutschland ausgewilderten Luchse gleichen phänotypisch nordischen
Luchsen (Grundfarbe Fell, Fleckenzeichnung, Körpermasse); nun ja, dumm gelaufen? Die Wiederansiedlung von Luchsen in Mittel- und Westeuropa – gezieltes Aussetzen von Gefangenschaftsluchsen und
Wildfängen – bewirkte weit weniger Konflikte als die natürliche Ausbreitung von Wölfen polnischer und italienischer Herkunft. Das lag zum einen daran, dass es nie einen Mythos „Rotkäppchen und
der böse Luchs“ gab, zum anderen die Schäden, die durch Luchse an Haustieren verursachen können, verhältnismäßig (sehr) gering sind. Einzig die Jäger im Landkreis Deggendorf (DEG), dem NP
Bayerischer Wald benachbart, unterstellen dem Luchs, die dortigen Rehwildbestände massiv zu gefährden. Das führte zu bis heute nicht aufgeklärten Tötungen von Luchsen (Kugel und Schrot sowie
Vergiftungen).
Eine mindestens gleichwertige Bedrohung für die noch im Aufbau befindlichen Luchsbestände ist der Straßenverkehr. Ohne drastische Tempobeschränkungen (s. o. Wolf) in Luchsgebieten wird es immer
wieder zu Verlusten bei dieser schönen Katzenart kommen.
Erfreulich: Der Beutegreifer Luchs polarisiert weit weniger als der Wolf. Deshalb erscheint eine rationale Kooperation zwischen Jägerschaft und Naturschutzverbänden eher möglich und zielführend.
Bei künstlichen, mit nur wenigen Individuen begründeten „Populationen“ besteht immer die Gefahr der genetischen Verarmung (sog. bottleneck-Effekt), dem mit gezieltem Aussetzen (hoffentlich) nicht
verwandter Luchskudern begegnet werden kann. Bei der Frage „Aussetzen von Tieren aus Gefangenschaftszuchten oder von Wildfängen?“ plädiert Verfasser für Wildlinge, vorausgesetzt deren Entnahme
gefährdet mit Sicherheit nicht die Herkunftspopulation. Die Tiere sollten der „Unterart“, vielleicht besser der Metapopulation Lynx l. carpaticus entstammen.
Ein Aspekt, der beachtet werden sollte: In Gebieten Mitteleuropas, in denen noch Raufußhühner existieren, sollte man auf die Wiederansiedlung von Luchsen verzichten; eine brütende oder
Küken führende Auerhenne könnte einen Luchs in Versuchung führen.
Die „Eroberung“ neuer Lebensräume durch den Luchs erfolgt langsamer als beim Wolf, der dank seines äußerst ökonomischen Schnürtrabs binnen Kurzem große Distanzen bewältigen kann, Dennoch ist es erstaunlich, welch große Entfernungen einzelne Luchse bewältigen, z. B. vom Harz bis in die Lausitz.
Traurige Gewissheit: Das wahnwitzig dichte Straßenverkehrsnetz der Bundesrepublik, das irrsinnig hohe Verkehrsaufkommen und der eklatante Mangel an Querungshilfen für Wildtiere wird nicht nur bei Wolf und Luchs immer wieder zu Verlusten führen. Man kann den betroffenen Tieren nur wünschen, dass der Verkehrstod augenblicklich eintritt.
Lakonisches: Wolf und Luchs sind sog, Flaggschifftierarten, die hohen ideellen Wert verkörpern. Aber es ist eine Illusion anzunehmen, mit ihrer Rückkehr oder Wiederansiedlung kehre frühere und von vielen Menschen erträumte Wildnis nach Mitteleuropa zurück. Urwälder sind in Europa Vergangenheit, werden nicht wiederkehren. Was den heutigen Menschen als Aufgabe bleibt, ist, nicht nur Wolf und Luchs, sondern der gesamten Flora und Fauna geeigneten Lebensraum zu erhalten und neu zu gestalten. Vielleicht gelingt diese gewaltige Aufgabe.
Abschließend: Umwelt respektierende Forst- und Landwirtschaft, massive Einschränkung, besser noch Einstellung der verheerenden Flächenversiegelung könnten und sollten dazu beitragen, deutsche Reliktnatur zu erhalten, vielleicht sogar auszudehnen. Verstärkter Schutz von Landschaften könnte dazu führen, dass Naturschutzgebiete ihren inselartigen Charakter verlören. Allerdings, wenn der öde Maisacker (zur Erzeugung von sog. BIO-Masse zur sog. BIO-Gasgewinnung) bis an das Naturschutzgebiet oder über beträchtliche Flächen eines Landschaftsschutzgebietes (was ist da noch Schutz?) sich erstreckt, dann ist so einiges in Ministerien und Fachbehörden schief gelaufen.
KIANG / Juni 2018