War die Botschaft, der ganzseitigen Anzeige, die am 15. September in den nordrhein-westfälischen
Tageszeitungen veröffentlicht worden ist. Urheber des wie eine professionelle Stellenausschreibung „verblendeten“ Textes ist der Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen (LJV NRW), Mitglied im DJV (Deutscher Jagdverband, ehemals Deutscher
Jagdschutzverband = DJV).
Beim gesuchten „Naturschützer gleich welchen Geschlechts“ (NgwG) muss es sich um ein Männlein oder ein Weiblein handeln, denn weitere Geschlechter haben Grundgesetz (GG), BGB und StGB
nicht zu bieten.
Erstaunlich, über welch geradezu übermenschlichen Eigenschaften und Fertigkeiten der NgwG
verfügen sollte – es wird wörtlich zitiert:
> besondere biologische Kenntnisse über heimische Tierarten
> vertiefte Kenntnisse über die Pflanzenwelt und ihre Pflege
> Ausbildung mit staatlich geprüftem Abschluss
> anerkannte Ausbildung im Artenschutz
> besonderes Talent zur Biotopgestaltung
> fundiertes Wissen über Wildschadenverhütung
> ausgeprägtes Wissen über Land- und Forstwirtschaft
> sehr starkes Einfühlungsvermögen im Umgang mit Hunden
> umfängliche Ausbildung in Fleischhygiene und Lebensmittelrecht
> umfassende Kenntnisse im Waffenrecht
> absolute Sicherheit der Waffenhandhabung
> überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft außerhalb ihrer sonstigen Tätigkeit
> unbedingte Einsatzbereitschaft, zu jeder Tages- und Nachtzeit zu Wildunfällen zu kommen
> viel Lust sehr (sehr, sehr) früh aufzustehen
> außerordentliche Einsatzbereitschaft im Bereich einer international anerkannten Initiative der
Natur- und Umweltpädagogik
> Bereitschaft, eigenes Geld für Ausbildung, Ausrüstung und Wirkungsstätte einzusetzen
> große Freude, sich ehrenamtlich für die Gesellschaft zu engagieren (Ende Zitat)
Drei weitere Punkt gehörten eigentlich angehängt:
> unbedingte Bereitschaft, mit Off-road-Fahrzeugen unbefestigte Wege zu zerfahren, Wild zu
vergrämen und Spaziergänger zu verschrecken
> mit jagdlichen Einrichtungen (Kanzeln u. ä.) Landschaft nachhaltig verunstalten
> übers Jahr gesehen, für mindestens 9-monatige Schusszeiten plädieren; Schonzeiten machen das
Wild zu vertraut, so vertraut, dass es sogar für Wanderer sichtbar wird.
Spätestens dann, wenn er diese unsäglich lange Aufzählung gelesen hat, wird selbst dem unbedarftem Leser dieser als Stellenanzeige getarnten Lobhudelei (Aufklärung folgt w. u.) klar, dass er beinahe einer fake advert (advert, Verkürzung von engl. advertisement = Stellenanzeige) aufgesessen wäre. All diese Eigenschaften und Fähigkeiten, die eine Vielzahl von Hochschulabschlüssen notwendig machten sowie fast übernatürliche Charaktereigenschaften voraussetzten, werden dem NgwG (s. o.) durch die Teilnahme an einem Ausbildungslehrgang zur Erlangung des Jagdscheins (Jagdlizenz). Dieser kann aus einem dreiwöchigem Crash-Kurs bestehen oder aus Wochenendseminaren o. ä. mit praktischen Übungen, die sich über mehrere Monate erstrecken können. Die amtliche Prüfung, welche die weiblichen oder männlichen Anwärter auf die Jagdlizenz ablegen müssen, wird seit einigen Jahren euphemistisch „Grünes Abitur“ benannt.
Närrinnen und Narren diejenigen, die sich den Mühen eines Hochschulstudiums unterziehen: Die erfolgreiche Ablegung des „Grünen Abiturs“ schafft die Expertise, die ein Studium überflüssig macht. Welch immense Ausgaben (Steuermittel!) könnten eingespart werden, wenn die Experten direkt aus der Jungjägerschaft rekrutiert würden; Experten, ungetrübt von der Gedanken Blässe!
Und was wird den ungetrübten Experten der „Grünen-Abitur-Expertise“ seitens des LJV NRW geboten?
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Herrliche Natur
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Tolle Aussicht
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Frische Luft
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Starke Gemeinschaft
Dazu ist anzumerken: Landschaftlich ist NRW noch nicht völlig kaputt, aber „herrliche Natur“, wo ist sie noch vorhanden, wo endet sie und wer definiert „Natur“? Da sind Alt- und auch Jungjäger ziemlich oder gänzlich überfordert.
Tolle Aussicht: Der Standpunkt ist entscheidend: Am Rande des Hambacher Tagebaus kann man kilometerweit über Wüste blicken, vom Kölner Dom (Unesco-Weltkulturerbe!) auf die mehr oder minder grünen Hänge von Bergischem, Oberbergischem oder Eifeler Land. Tolle Aussicht kann auch bedeuten, dank „Starker Gemeinschaft“ (s. u.) tut sich etwas im Beruflich-Ökologischen, vielleicht sogar Privaten.
Frische Luft: Fernab der Ballungsräume durchaus zu inhalieren, aber eher in den Mittelgebirgs- Regionen Eifel, Sauer- und Siegerland, sowie Wittgensteiner Land und Teutoburger Wald. Allgemein kann festgestellt werden: Nordrhein-Westfalen hat ausgeprägte Frischluft-Probleme. Seitens des NRW-LJV mit Frischluft zu werben, ist eine Form (vielleicht) ungewollter „Blasphemie“; Schönreden hilft nicht weiter!
Starke Gemeinschaft, davon gab es arg viele in vergangenen Jahrzehnten. Die bekannteste und fatalste war die Volksgemeinschaft von 1933 bis 1945, deren „Wohltaten“ bis heute geistig
nachwirken. Jagdpapst Walter Frevert zeigt noch immer Wirkung mit „Jagdlichem Brauchtum und Jägersprache“ sowie anderen Abstrusitäten! Immerhin, der gute alte Loden wurde von bunter Warn- und
teils bühnenreifer Tarnbekleidung abgelöst.
Eine starke Gemeinschaft ist die Jägerschaft immer noch; im Zweifelsfall wird gemeinsam geschwiegen. Nur wenn es um vermeintliche oder tatsächliche Beschneidung von Privilegien geht, sind Jäger
zu lautstarken Demonstrationen bereit; da kann es in der Landeshauptstadt schon mal bunt zugehen.
Eigentlich makaber ist die offizielle Anerkennung von Jagdverbänden und Verbänden der Sportfischer als Naturschutzverbänden. Sind diese doch primär Natur-Nutznießerverbände, selten ehrlich genug, zuzugeben, dass sie bzw. ihre Mitglieder es genießen, Wildtiere der Trophäe, des Eiweißgenusses wegen zu töten oder den am Haken hängenden Fisch nach „ehrlichem“ Kampf anzulanden.
Abgesehen davon, dass der Begriff „NATUR“ von Jägern und Sportfischern niemals, von Bio- und Ökologen möglicherweise, von biologisch inspirierten Philosophen möglicherweise geklärt werden könnte, sollten Jäger gleich welchen Geschlechts und Petri-Jünger Begriffe wie Natur, Ethik, Moral, Tierschutz u. a. möglichst nicht so ungeniert verwenden wie ihre Österreichischen Kollegen (s.Broschüre d. BÖJV).
Hart formuliert: Hunting for conservation is just like fucking for virginity!
Abschließend: Die Scheinehe „Jagd und Naturschutz“ war desaströs: Wildquerungen absolutes Minus in der BRD; bezüglich “Bio-Energie“ (Mais und Raps) kaum Einwände der Jägerschaft; was Landschaftsversiegelung angeht, wie viele Jäger sind direkt oder indirekt der Tiefbau-Wirtschaft verbunden? Und wie lange sind Jäger noch bereit, Pachten für degradierte Landwirtschaftsflächen (biologisch fast tote Monokulturen von sog. Bio-Energiepflanzen wie Mais und Raps?
Um es kurz zu machen, bevor echter Zorn aufkommt: Der Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen hat eine teure Kampagne gestartet (eigene Mittel oder Sponsorengeld?), die mit Natur und angeeigneter Kompetenz wirbt, indes nicht überzeugend ist.
Die landesweite Anzeige vom 15. September hat reichlich dick aufgetragen. Auf diese Weise potentielle Anwärter fürs „Grüne Abitur“ an- bzw. einzuwerben, erscheint reichlich fragwürdig. Die vielen
€uro hätten sinnvoller eingesetzt werden können, meinen zumindest
KIANG und Emil, im September 2018