Vorbemerkung: Das L. hinter dem lateinischen oder latinisierten Namen einer Tierart steht für Linnaeus, sprich Carl von Linné (1707 – 1778), schwedischer Naturforscher und zukunftsweisender Systematiker.
Wo es der Lesbarkeit des Textes und der Logik diente, wurde die maskuline Form des Wortes verwendet, wie z. B. Hubertusjünger.
Da es sich bei nachstehendem Beitrag um ein Essay handelt, wird auf Quellenangaben verzichtet mit der Versicherung, den Text nach bestem Wissen und Gewissen erstellt zu haben.
Sämtliche mehr oder minder freilebenden Wisente, Bison bonasus L. 1758, wurden nach dem ersten Weltkrieg in geeignet erscheinenden Gebieten ausgesetzt, d. h. künstlich angesiedelt. Die einzige Region, deren Wisentbestände man als wild bezeichnen könnte, ist der Urwald von BIAⱢOWIEŻA, beiderseits der polnisch-weißrussischen Grenze sich erschreckend; das flächenmäßig größere weißrussische Gebiet nennt sich Belowesher Wald. Das als Urwald bezeichnete Gebiet umfasst beiderseits der Grenze etwa 1.500 km² = 150.000 ha.
Die übrigen europäischen Wisent-Populationen – vielleicht treffender als Gruppen bezeichnet – müssen sich mit weit geringeren Flächen begnügen, sodass ihnen der Status „Wildtier“ kaum zugestanden werden kann.
Das größte deutsche Wisent-Projekt entstand im Wittgensteiner Land, wo vor einigen Jahren den „ausgewilderten“ Wisenten eine Fläche von etwa 4.000 ha = 40 km² Wirtschaftswald zur Verfügung gestellt wurde. Da das Gebiet aus verschiedenen Gründen nicht gezäunt werden kann, unternahmen die Tiere natürlich auch Ausflüge auf Sauerländer Territorium, wo sie sich durch schälen der Bäume bei Privatwaldbesitzern mehr als unbeliebt machten. Der daraus resultierende Rechtsstreit zwischen Waldbesitzern und dem Trägerverein Wisent-Welt-Wittgenstein ging durch die verschiedenen Gerichtsinstanzen, landete schließlich beim BGH in Karlsruhe. Allerdings fällte der Bundesgerichtshof am 16. Nov. 2018 kein Urteil, sondern wird die Angelegenheit wahrscheinlich an das zuständige Oberlandesgericht zu erneuter Verhandlung zurücküberweisen. Der Ausgang des Rechtsstreits ist gegenwärtig also noch offen.
Hingegen erlauben sich die Verfasser die Bemerkung, dass Wirtschaftswald und ehedem bewirtschafteter Wald für den Wisent ein nur suboptimales Biotop darstellen, dies v. a. bezüglich des Äsungsangebots. Fraglich ist zumindest, ob das Angebot an Laub von Bäumen und Sträuchern sowie das Angebot an krautigen Pflanzen und bestimmten Gräsern – Wisente sind „Feinschmecker“ – wirklich ausreicht.
Davon abgesehen, eine Fläche von 40 km² mag groß erscheinen, aber ohne Wisent-festen Zaun bleiben die Tiere nicht in diesem Bereich, sondern erkunden angrenzende Nachbarschaft, nicht zuletzt wegen ggf. schmackhafterer Nahrung. Auf 4.000 ha kann man zwar Wisente züchten, aber eine sich selbst erhaltende Population dieses eindrucksvollen Rindes benötigt weit größere Räume. Und diese gibt es in der Bundesrepublik nicht mehr dank stetigen Flächenverbrauchs und einer beachtlichen Bevölkerungsdichte von rd. 230 Einwohnern/km² (Polen etwa 125 Einw./km², Russische Föderation etwa 8,5 E./km²). Kommt hinzu, dass Natur in Deutschland zu beinahe 100% Natur aus zweiter Hand ist. Lautete früher der Schlachtruf „Volk ohne Raum“, so ist nach zwei erbärmlichen Weltkriegen die nüchterne Bilanz: Beschränkter Raum mit überbordender Infrastruktur (ein ökologisches Desaster!) und weit mehr Mensch als 1914. Kurzum, Deutschland kann nicht das Land der frei streifenden Wisentherden werden!
Einschub: Bevor auf andere Tierarten eingegangen wird, ist zu konstatieren, dass bei zwei der Schlagwörter der Überschrift – Auswilderung und Aussetzen – die Jägerschaft mannigfach beteiligt war und noch ist. Beim Schlagwort (natürliche) Ansiedlung können Jäger‚ gleich welchen Geschlechts‘ (aus einem Flyer des LJV NW) durchaus in Erscheinung treten, wie sich im weiteren Text zeigen wird.
Die Bezeichnung „Edelhirsch“ stammt aus Feudalzeiten, als das Töten des Rothirsches, Cervus elaphus L. 1758, den Edlen, dem Adel vorbehalten war. Wilderte ein Gemeiner einen Rothirsch, konnte ihn diese Tat durchaus kopflos enden lassen. Das änderte sich erst grundlegend durch die unvollendete 1848er Revolution, die Deutschland u. a. das zumindest zweifelhafte Jagdrevier-Pachtsystem bescherte.
Im 19. Und 20. Jahrhundert war Deutschland der Verschiebebahnhof für Rotwild und Verwandte. Von Maral, Cervus e. maral, über nordamerikanischen Wapiti, Cervus e.
canadensis, Erxleben 1777 und Rothirschen aus den Karpaten und den ungarischen Donauauen wurden – in der Hoffnung, die Geweihstärke einheimischer Hirschpopulationen zu optimieren – Tiere nach
Deutschland verbracht und in heimischen Revieren ausgesetzt. Aber auch innerhalb des Reiches wurde Rotwild verschoben. Dem fast vor dem Aussterben stehenden Restbestand der Romintener Heide
führte Rotwild aus dem Potsdamer Wildpark frische Gene zu, wodurch die Gefahr von Inzucht abgewendet werden konnte. Dank intensiver Hege mit Büchse und Futtertrog entwickelten die Rothirsche im
späteren Leibrevier des schießwütigen Wilhelm II, letzter Hohenzoller Kaiser, prächtige Geweihe. An diesen labten sich nicht nur der spätere ‚Reichsjäger- und Reichsforstmeister‘ Hermann Göring
und sein Adlatus, späterer Oberforstmeister und „Jagdpapst“ Walter Frevert, nein, die Hirsche aus dem „Großgatter „Romintener Heide“ waren reichsweit als „Artverbesserer“ begehrt. So wurden sie
u. a. im Klever Reichswald ausgesetzt oder in den Alpen, wo sie das leichtere Gebirgs-Rotwild „verbessern“ sollten. Das stellte sich allerdings bald als „Schuss in den Ofen“ heraus. Die über
hunderte, ja tausende von Generationen an das Leben im Berg adaptierten Älpler waren zäher und besser zu Fuß als die Romintener mit ihren weichen Schalen, die sie sich auf steinigem Untergrund
schnell wund liefen – aus der Traum vom „Aufarten“ des Gebirgsrotwildes!
Selbst nach Schottland wurden Romintener Hirsche exportiert; ob sie auf das kleine und genügsame Highland-Rotwild positiv wirkten, erscheint fraglich.
In Deutschland nur an wenigen Orten, auf dem Gebiet des heutigen Tschechien an mehreren Orten, besonders aber im Vereinigten Königreich, wurde Sikawild, Cervus nippon Temminck 1838, verschiedener Unterarten erfolgreich ausgesetzt. Da Sikawild mit Rotwild fruchtbare Hybriden erzeugt, tummeln sich in Tschechien und Großbritannien inzwischen zahlreiche Hybriden, die eine Bedrohung für das einheimische Rotwild darstellen (können).
Mit dem „wild sein“ des Damwilds, Dama dama L. 1758, ist das so eine Sache: Die Vielfalt der Fellfärbung – von weiß über „wildfarbig“ (in allen Schattierungen) bis schwarz – lässt darauf schließen, dass über Tierpark- und Gatterhaltung erste Domestikationsstufen bereits erreicht wurden. Der Einwand, dass freilebendes Damwild sich wie Wild verhalte ist allenfalls bedingt schlüssig. Denn auch amerikanische Mustangs und australische Broncos, allesamt Hauspferdeabkömmlinge, erreichen binnen kurzer Zeit das Verhalten von Wildtieren, wenn ihnen der Mensch dauerhaft nachstellt. Allerdings scheint das Damwild von Zivilisationskrankheiten verschont geblieben zu sein und bei ausreichendem Jagddruck sind die Tiere durchaus vorsichtig und scheu.
Die meisten Jagdscheininhaber reagieren recht ablehnend bis leicht aggressiv, wenn man behauptet, das Mufflon, Ovis ammon musimon Pallas, 1811, sei ein primitives neolithisches (jungsteinzeitliches) Hausschaf. Die Mehrzahl der Jäger beharrt darauf, dass das Mufflon ein echtes Wildschaf ist. Nur, auf Korsika, einer der Ursprungsinseln der Schneckenträger, wurden keine paläontologischen Schafknochenfunde gemacht, die weiter zurückreichen als die Besiedlung der Insel durch den Menschen. Schwimmend können die angeblichen Wildschafe die „Insel der Schöneit“, wie Napoleon I sie nannte, nicht erreicht haben. Da Korsika immer wolfsfrei war, erfolgte bei diesem Primitiv-Hausschaf auch keine Co-Evolution, wie sie sich beim Festlands-Rotwild zwangsläufig ergab.
Fehlende Co-Evolulotion erwies sich beim Mufflon, das, der durchaus interessanten Trophäe wegen, an allen möglichen geeigneten und ungeeigneten Orten – von felsigen Mittelgebirgen bis flachen, sandigen Heiden von Jägern ausgesetzt wurde, als durchaus fatal. Die ersten in Deutschland wieder ansässigen Wolfsrudel (dazu später mehr) ließen die Mufflonbestände „wie Butter in der Sonne“ schmelzen; dies im Flachland weit schneller als in gebirgigen Regionen, wo zumindest einige Schafe lernten, dass steile Felsen temporären Schutz vorm Wolf boten.
Wie andere Hausschafe auch, leiden Mufflons auf ungeeigneten Böden häufig an Moderhinke, einer fatalen Klauen- (pardon) Schalenerkrankung. Wenn, wie z. B. im Harzvorland des Kreises Goslar, die Schafe einmal jährlich ins Gatter getrieben wurden (1970er Jahre), dann kann man so oder so nicht mehr von Wild reden!
Zum Schwarzwild, Sus scrofa L. 1758, das, überwiegend frei von Hausschweingenen, sich dank massiven Jagddrucks und intensiven Maisanbaus freudig vermehrt und weiterhin vermehren wird, sei nur gesagt, dass es Qualität und Quantität von Nachtsichtgeräten enorm befördert hat, ebenso die Legitimierung des Einsatzes von Schalldämpfern. Und noch eins wurde vorangetrieben: Die Schaffung zusätzlicher Suhlen (Komfort muss sein, auch beim Schwein!) durch regelmäßige Verwendung von Allrad-Fahrzeugen auf unbefestigten Wegen, was Spaziergänger fernhält, damit auch Verwechslungsmöglichkeiten.
***
Von der sehr großen Familie der Zehenspitzengänger – Klauentiere, Schalenwild, präziser Artiodactyla, noch genauer Cetartartiodactyla – zur hoch interessanten Familie der Carnivora, der Fleischfresser, meistenteils Zehengänger, einige auch Sohlengänger. Veganer finden sich nicht, Gelegenheits-Vegetarier gar nicht so selten in dieser Familie. Die Körpermasse reicht bei den landgebundenen Vertretern von 40 - 210 g (Mauswiesel) bis zu 270 kg (Braunbär, ein Sohlengänger, der das Gebiet des Freistaates Bayern möglichst meiden sollte, wie „Bruno“ erfahren musste).
Am fast völligen Verschwinden des Europäischen Nerz, Mustela lutreola L. 1761, trifft die Jägerschaft bedingt Schuld durch Bestandsminderung v. a. durch Fallenjagd. Zum katastrophalen Bestandseinbruch trug der physisch überlegene Mink, Neovison vison Schreber1777) fast ausschließlich bei. Schuld waren Pelztierfarmen, aus denen immer wieder Tiere entweichen konnten und Vertreter der Art Homo sapiens, L. 1758, die sich Tierbefreier nannten, denen jedoch Weisheit ziemlich, ökologisches Denken und Handeln vollkommen fehlte. Bar jeder Vernunft, geleitet durch von Bauchgefühl geprägter „Tierliebe“ entließen sie in nächtlichen Aktionen Hunderte von Minken aller möglichen durch Zucht erreichten Farbvarianten in die „goldene Freiheit“. Trotz Käfighaltung in tierquälerischen Behältnissen über viele Generationen hin, war das primäre Verhaltensinventar dieser Zuchttiere intakt, außer bei mit Taubheit gekoppelten Farbvarianten, z. B. Platin. Jedenfalls kamen viele der befreiten Minke gut mit der Freiheit zurecht, eliminierten ihre europäischen Verwandten und erwiesen sich als das, was im Anglo-amerikanischen als pest bezeichnet wird.
Ausflug ins Reich der Nagetiere
Besäße die aus Südamerika stammende Nutria, Myocastor coypus Molina 1782 irgendein Körperteil, das an die Trophäenwand zu nageln sich lohnte – z. B. Drehhörnchen - Stoßzähnchen, Gabelgeweih – ,so wäre anzunehmen, dass irgendwelche Jägersleute sich zum Aussetzen dieser Nagetierart entschlossen hätten. Dem ist nicht so, denn alle Nutria sind aus Pelztierfarmen entwichene oder absichtlich ausgesetzte Tiere verschiedener Farbvarianten, die mit relativ milden Wintern gut zurechtkommen, durch das Anlegen (Graben) von Bauen in Schutzdämmen durchaus Unheil anrichten können.
Auch die Ansiedlung von Bibern, Castor fiber L. 1758, die regional Probleme bereiten können, ist der Jägerschaft nicht anzulasten. Vielmehr ist die inzwischen gesicherte Existenz des größten europäischen Nagers engagierten Naturschützern zu verdanken.
Anders hingegen beim Bisam, Ondatra zibethicus L. 1766, einem nordamerikanischen Nager, der mit „jagdlicher Rückendeckung“ 1905 in der Nähe Prags erstmals ausgesetzt wurde. Zu diesen gesellten sich später aus Pelztierfarmen entwichene Tiere, die sich rasch in Mitteleuropa ausbreiteten und schon bald einen schlechten Ruf erlangten als Zerstörer von Schutzdämmen und die Artenvielfalt von Sumpf- und Wasserpflanzen beeinflussende Nager.
…und zurück zu den Carnivoren
Der Wolf, Canis lupus L. 1758, hat, allen gegenteiligen Behauptungen aus bestimmten Jägerkreisen zum Trotz, auf eigenen Läufen ehemaliges Territorium wieder besiedelt, sich also selbständig angesiedelt. Keiner der europäischen Fleischfresser wirkt derart polarisierend wie der Wolf, in Jägerkreisen oft mit dem recht blödsinnigen Namen „Grauhund“ belegt, was allerdings wenig verwundert, wenn seit einigen Jahren Jagdhunde von Jagdscheininhabern als „Vierläufer“ verunglimpft werden. Das Vorhandensein von vier Extremitäten ist typisch für Säugetiere, sechs-, acht- oder dreibeinige Individuen begegnen dem zweibeinigen, aber mit vier Extremitäten ausgestatteten Menschen auf dem blauen Planeten höchst selten; dies dazu!
In den vergangenen Jahren hat sich ein besonderer Modetrend entwickelt, nämlich zu behaupten, zu unterstellen, mitteleuropäische und skandinavische sowie italienische Wölfe seien durchweg
genetische Mischprodukte, sprich Hybriden aus Canis lupus x Canis lupus f. familiaris, wobei sich Prof. Dr. Dr. h.c. Valerius Geist, Vancouver Island, Kanada als einer der
heftigsten Protagonisten geriert. Wobei dann die Frage gestattet sein muss, wieso beim angeblich reinen Timberwolf immer wieder schwarz gefärbte Individuen beobachtet werden können.
„Sprung-Mutationen“ oder Hundegene?
Besonders engagierte Apologeten der Hypothesen von Prof. Geist sind die Herren Kaj Granlund/Finnland, von dem trotz chinesischen Professorentitels keine als seriös zu bezeichnende
wissenschaftliche Veröffentlichung bekannt ist, sowie Wernher Gerhards, Meißen, zwar ohne chinesischen Professorentitel, aber aufgefallen durch ein von der Kreisjägerschaft Meißen in Auftrag
gegebenes „Gutachten“, das weit davon entfernt ist, als ernsthaftes, wissenschaftlich fundiertes Gutachten bezeichnet werden zu können.
Die Frage, ob den Herren Granlund und Gerhards der Titel Scharlatan verliehen werden darf, harrt noch endgültiger Beantwortung.
Was bei Prof. Geist unangenehm auffällt: Er unterstellt den Genetikern vom Senckenberg-Referenzlabor in Gellnhausen/Hessen inkorrekte Arbeit, ohne allerdings dafür Beweise liefern zu können. Derartiges Gebaren verstößt gegen ethische Grundsätze, die in ernsthafter Wissenschaft notwendiger denn je sind.
Wölfe sind sehr wohl in der Lage, Probleme zu bereiten. Allerdings am wenigsten den Jägern, die zwar von „ihrem Wildbestand“ (häufig sehr üppig, gar überhöht, was Bestand und Tragfähigkeit des jeweiligen Ökotops angeht) sprechen, dabei aber allzu gern vergessen, dass das den Besitz anzeigende Pronomen erst dann greift, wenn der Schütze nach tödlichem Schuss de jure Besitzer des Stückes Wild geworden ist. Wenn der grimme Wolf dem Schützen das tote Stück entreißen wollte, würde er de jure humanitate straffällig. Ansonsten versucht der Wolf, herrenloses Gut erfolgreich zu jagen und sich einzuverleiben.
Bezüglich effektiven Schutzes von Vieh (Wiederkäuer und Pferde) müssen Politiker und Viehhalter aktiv nach praxisrelevanten Lösungen suchen und diese auch konsequent umsetzen; keine leichte, aber m. E. umsetzbare Aufgabe.
Die einfachste Lösung wäre natürlich, alle Wölfe ungeachtet ihrer tatsächlichen Genausstattung zu Problem-Hybriden zu erklären und zum sofortigen Abschuss durch einen jeden Jagdpächter oder Inhaber von Eigenjagden freizugeben. Mancher echte Wolf und mancher echter Haushund würden dann die Strecke zieren.
Obwohl Rotfüchse, Vulpes vulpes L. 1758, bisher von Jägern aktiv nicht ausgesetzt worden sind – dies gilt nicht für Australien – betreiben die Inhaber von Jagdlizenzen aktive Ansiedlungs-Politik, allerdings unfreiwillig und aus Ignoranz. Auf Grund der recht hohen Reproduktionsrate der Art Rotfuchs folgt auf jeden abgeschossenen Revierinhaber bald ein Jungfuchs, der sich etablieren möchte. Statt großflächig – hierbei muss in km²-Dimensionen gedacht werden – zu versuchen, ein halbwegs stabiles Sozialgefüge des keineswegs solitär agierenden Fuchses entstehen zu lassen, gilt immer noch die Devise „Falle und Schrot, macht Füchse tot!“ eine arg simple Denkweise, die weder Hasen noch Bodenbrütern zum Vorteil gereicht. O sancta simplicitas = Schutzheilige der Jägerschaft?
Der Luchs, Lynx lynx L. 1758, in mehreren Unterarten über Eurasien vertreten, bedurfte der aktiven Auswilderung, sprich Ansiedlung, um in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach langer Abwesenheit allmählich wieder heimisch zu werden.
Die Harzer Luchspopulation mit ihrer Vielfalt an Unterarten hat sich weiter ausgebreitet, nicht unbedingt zur Freude aller Luchsbefürworter. Benachbarte Bundesländer werden nunmehr mit einem expressiven Ökotyp besiedelt, mit allen sich daraus besonders langfristig resultierenden Problemen für den einst bodenständigen Ökotyp Waldluchs.
„Luchs ist Luchs – egal woher – nun ist er eben da!“ sollte nicht das Motto der Wiedereinbürgerungseuphorie sein. Im Harz tolerierte die Jägerschaft die Rückkehr und die Anwesenheit der Kleinkatze, an dessen Projekt sie auch maßgeblich beteiligt war.
Die Luchspopulation im Pfälzerwald befindet sich noch im Aufbau, das Aussetzen von Luchsen aus der Schweiz ist höchst fragwürdig und noch nicht
abgeschlossen. Abwanderungen von einzelnen Exemplaren werden schon einmal zurückgeführt. Den Blick auf eine gute Autokarte lässt die Möglichkeiten einer weiteren Ausweitung sehr fragwürdig
erscheinen. Das repräsentativste Beispiel hierfür ist die Situation und die Verluste durch den Straßenverkehr der Luchspopulation im Bayerischen Wald.
Im Nationalpark Bayerischer Wald wurden erfolgreich Luchse ausgesetzt und es ist möglich, dass sich mit dem angrenzenden tschechischem NP Sumava ein großflächiges Luchsvorkommen etabliert. Der
Luchsbestand auf deutscher Seite stagniert, ist vielleicht sogar rückläufig. Gründe sind, v. a. Verluste durch Straßenverkehr und dies betrifft alle
Altersklassen dieser Kleinkatze; Vergiftung durch Präparation frischer Luchsrisse mit dem verbotenen Insektizid Carbofuran und illegaler Abschuss von Luchsen, weil diese angeblich
den Rehwildbestand derart dezimieren, dass die ansässigen Jäger kaum noch Rehwild erlegen könnten, so deren Behauptung. Der Luchs genießt in dieser Region keine Toleranz seitens der
Jagdlizenzinhaber.
Eine permanente Bedrohung nicht nur für Luchse ist der Straßenverkehr. Erfahrene Wildtiere können Fahrzeuggeschwindigkeit bis zu 50 km/h einigermaßen sicher einschätzen, ab 70 km/h ist eine Einschätzung nicht mehr möglich. Ein Auto, ausgestattet mit den heute üblichen strahlungsstarken Scheinwerfern – der Gesetzgeber müsste derartige Netzhautkiller umgehend verbieten! – hat bei Dunkelheit eine derartige Blendwirkung, dass für jedes Tier, für jedes Kleinkind eine Einschätzung der Geschwindigkeit nicht mehr möglich ist. Es ist ein Irrsinn, dass auf Straßen, die regelmäßig von Wildtieren oder Personen gequert werden, überhaupt eine Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h erlaubt ist! Hier handeln die zuständigen Behörden nicht fahrlässig, sondern grob fahrlässig, man könnte beinahe auch sagen vorsätzlich!
Der Waschbär, Procyon lotor L.1758, ist ein aus Nordamerika stammendes invasives Neozoon, das inzwischen weite Gebiete Mitteleuropas höchst erfolgreich besiedelt hat. Die Geschichte
begann 1934, als Vertreter der Jägerschaft an der Ederseetalsperre/Hessen – soweit erinnerlich – sechs Waschbären zur Bereicherung der reichsdeutschen Fauna aussetzten; eigentlich verwunderlich,
denn als arisch im Sinne des Regimes und des Reichsjägermeisters konnte man die Kleinbären wirklich nicht bezeichnen. Sei’s drum, die Bärchen entfleuchten dem Auswilderungsgatter, vermehrten sich
prächtig und eroberten gemäß der Parole „Waschbärvolk ohne Raum“ recht schnell reichsdeutsche Landstriche. Ihnen gesellten sich ab und zu aus Pelztierfarmen entkommene Tiere zu. Hinzu kamen noch
etliche aus einer durch Bomben zerstörten Farm bei Berlin. Es dauerte noch einige Jahre, bis durch genetische Untersuchungen bewiesen wurde, dass West- und Ostbärchen bereits vor dem Mauerfall
ohne Feierlichkeiten die Vereinigung bereits vollzogen hatten.
Heute, 84 Jahre nach dem Edersee-Event, hat das räuberische Multitalent Waschbär das Land fest in seinen tastempfindlichen Vorderpfötchen, vermehrt sich prächtig und wird durch jagdliche
Maßnahmen allenfalls etwas zu bremsen, aber nicht mehr auszurotten sein. Übrigens: Hessen ist das einzige Bundesland mit zwei Hauptstädten: Landeshauptstadt Wiesbaden mit Landtag und
Landeskabinett sowie Kassel als Waschbären-Hauptstadt, allerdings ohne Parlament und Kabinett.
Der Spruch „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ stammt nicht von einem Waschbären, sondern wird dem unglückseligen Problembären „Bruno“ zugeschrieben, dessen unerlaubter Grenzübertritt auf bayerische Art bereinigt wurde.
An Auftauchen und Ansiedlung des Marderhundes, Nyctereutes procyonoides Gray 1834, in Mittel- und Westeuropa waren bundesdeutsche Jäger nicht beteiligt. Die Heimat des Marderhundes liegt im östlichen Asien; er wurde vor allem in der westlichen Sowjetunion (insbes. Ukraine) als Pelztier in Farmen gehalten. Bis zu 10.000 dieser Nahrungsopportunisten wurden in der Ukraine freigesetzt und haben sich seit den 1960er Jahren erfolgreich ausgebreitet. Auch bei diesem invasiven Neozoon wird Bejagung ihren Tribut fordern, indes, Ausrottung wird unmöglich sein.
Die Frage, ob der Braunbär, Ursus arctos L. 1758, sich wieder auf dem Gebiet der Bundesrepublik ansiedeln oder angesiedelt werden wird, muss offenbleiben. Brauchbare Habitate wären vielleicht vorstellbar im Alpenraum. Allerdings ist das Verkehrsnetz der BRD sehr zu dicht, also wenig Bären freundlich. Zudem könnte der Tourismus mit seinem unstillbaren Flächenverbrauch bei Anwesenheit von Bären Einbußen erleiden. Eine sich selbst erhaltende Bärenpopulation in der BRD aufzubauen und zu fördern…, m. E. ein chancenloses Unterfangen!
***
Jäger und sog. Federwild, ein diffiziles Thema, das einfach zu lösen wäre, wenn die Flintenjagd auf Vögel endlich verboten würde. Nicht jeder Schrotschuss ist sofort tötend. Hat der Vogel,
z. B. Graugans oder Fasanenhahn, nur ein oder zwei Randschrote abbekommen, streicht er scheinbar gesund ab. Indes, da mit dem einzelnen Schrotkorn die intakte Haut verletzt wird, gelangen
automatisch Keime in den Organismus. Je nach Keimart und Immunkompetenz des Organismus eliminiert dieser die Keime oder es kommt zu einer Infektion mit fatalem Ausgang. Der verluderte Vogel wird
vom Fuchs verzehrt und schon heißt es in Jägerkreisen, der Fuchs habe schon wieder eine Gans oder einen der wertvollen Kunstzucht-Fasanen gewürgt.
Wird der Vogel „nur“ geständert, ist sein Tod letztlich eine Frage von Tagen. Gefunden wird ein geständerter Vogel nicht, denn er wird abstreichen, soweit ihn die Schwingen tragen. Den „nur“
geflügelten Vogel wird ein guter Hund finden und apportieren, doch ist die ganze Prozedur mit Schmerzen, Leiden und Schäden für den betreffenden Vogel verbunden, verstößt also gegen § 1 des
Tierschutzgesetzes (TierSchG), da ein vernünftiger Grund für den Schrotschuss auf Vögel eigentlich nicht vorliegt. Die Proteinversorgung der Jagdscheininhaber kann auf andere Weise sichergestellt
werden, v. a. weit preiswerter. Zudem fördert Schrot im Wildfleisch kaum den Essgenuss, schon gar nicht die Zahngesundheit.
Ein weiterer Grund, die Flintenjagd auf fliegende Vögel abzulehnen, ist die Verwechslungsgefahr und damit die Gefahr, geschützte oder schützenswerte Arten zu töten. Folgende Situation: Grauer Herbsttag, schnell streichende Gänse oder Enten dazu noch Wind von achtern. Welcher Schütze kann unter diesen Bedingungen absolut sicher Kurzschnabelgans von Saatgans, Zwerggans von Blässgans oder weibliche Schnatterente von weiblicher Stockente unterscheiden? Vielleicht einer von 500! Bei der Streckenmeldung wird dann die tote Kurzschnabelgans (falls sie als solche überhaupt erkannt wird) unter Saatgans subsummiert, die tote Zwerggans (schwierig zu erkennen) den Blässgänsen zugerechnet und die Schnatterente (und andere nicht frei gegebene Entenarten) der Kategorie Stockente. Denn bei der offiziellen Entenstrecke heißt es summarisch „überwiegend Stockenten“.
Viele Landesjagdgesetze erlauben das Aussetzen künstlich aufgezogenen Fasanen und Stockenten, wenn ihnen nach dem Aussetzen noch einige Wochen in Freiheit gewährt werden, damit sie von halbzahmen zu ganz wilden Tieren mutieren sollen. Es hat sich in Jägerkreisen allgemein herumgesprochen, dass das Kürzen des Oberschnabels – zur Verhinderung von Federpicken – bei zukünftigen „Wildfasanen“ nach § 6 TierSchG verboten ist; immerhin ein Fortschritt!
Welche Sorte von zukünftigem Wildgeflügel wird von den Jägern ausgesetzt? Bei den Fasanen handelt es sich um ein Potpourri von Unterarten, denn der eigentliche Jagdfasan, der wunderschöne
Transkaukasische Fasan, Phasianus colchicus colchicus L. 1758, wird seit Jahrhunderten mit allen möglichen Unterarten gemixt. Aus diesem Grunde sind echte Jagdfasanen (Phasianus c.
colchicus), heute eine Rarität bei den Volierenzuchten. Übrigens brachten die Römer die ersten Jagdfasanen ins Rheinland, wohl um auch fernab der Hauptstadt Delikates genießen zu können: Fasaan
met suure Kappes.
Ohne regelmäßiges Aussetzen durch die Jägerschaft und Winterfütterung würden Fasane binnen kurzer Zeit aus unserer ausgeräumten Agrar-Landschaft verschwinden, in der es an adäquater Nahrung und
Deckung fehlt. Da die Kunstzucht-Fasane Geld kosten, ist es beinahe verständlich, dass Jäger dem Fuchs die Bereicherung des Speisezettels mit Frisch-Fasan nicht gönnen, denn bei Geld hört
bekanntlich die Freundschaft auf.
Die Stockente, Anas platyrhynchos L. 1758, ist die einzige Entenspezies, deren Bestände nicht gefährdet sind. Das Aussetzen künstlich aufgezogener Stockenten – vielfach handelt es sich dabei um sog. „Hochbrutpflugenten“ (Stockente x Hausente) – ist überflüssig, dient vielmehr die Befriedigung der Lust von Flintenschützen, nach Ansicht des Verfassers absolut kein vernünftiger Grund! Tontauben zu schießen kann durchaus Trieb abbauend wirken, ist zudem Tierschutz konform
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Abschließend noch ein Schmankerl aus den Jagdzeit-Verordnungen von Bund und Ländern. Neben bei einigen Wildarten deutlich zu langen, der winterlichen Stoffwechseldrosselung entgegenstehenden Jagdzeiten, fallen etliche – je nach Bundesland unterschiedliche – Absurditäten auf, wobei ich mich auf die kleinste Marderart und auf zwei Arten beschränken will, die in Deutschland nur im Alpenraum vorkommen.
Es dürfte den Absolventen des „grünen Abiturs“ eigentlich bekannt sein, dass das Mauswiesel, Mustela nivalis L. 1766, für Rot- und Rehwild keine Gefahr darstellt und nur gelegentlich ein Jungkarnickel oder einen Junghasen erbeutet, ansonsten eifriger Vertilger diverser Nagetierarten ist. Warum dieser Mini-Marder dennoch in einigen Bundesländern bejagt werden darf, kann nur verwundern. Zudem sollte bedacht werden, dass Mauswiesel im blitzschnellen Töten ihrer Beute eine Perfektion zeigen, die den normalen Hubertusjünger „ziemlich alt aussehen“ lassen.
Alpenschneehuhn und Schneehase,
die, wenn sie in der Liste aufgeführt werden, ganzjährige Schonzeit genießen. Im Bundesjagdgesetz aufgeführt, fehlen sie in der Jagdzeiten-Liste von
Baden-Württemberg und Bayern (natürliches Vorkommen in Oberbayern), sowie in den Listen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, während in Niedersachsen nur der Schneehase aufgeführt
ist.
Nachstehend sind die Bundesländer aufgeführt, die auf baldige Eiszeit zu hoffen scheinen und deshalb Alpenschneehuhn und Schneehase vorausschauend gelistet haben:
Die Freien und Hansestädte Hamburg und Bremen, der Stadtstaat Berlin, die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Saarland, Sachsen-Anhalt sowie die Freistaaten Sachsen und
Thüringen.
Kiang & Emil