· 

Horst Stern (1922 - 2019)

JournalistNaturschützerAutor

Foto: Pixabay
Foto: Pixabay

Horst Stern war ein Jahrhundertmensch. Kein Phänomen, sondern ein hart und gewissenhaft arbeitender Journalist, der in den drei Bereichen gedruckte Presse, Rundfunk und Fernsehen Großes, bisweilen Überragendes geleistet hat. Er ging oft bis an die Grenze des für manche Mitbürger Erträglichen, doch was er lieferte, beruhte auf akribisch erarbeiteten Fakten, hielt jeder justiziablen Beurteilung stand. Heute keineswegs selbstverständlich, kannte Horst Stern den „Gegenstand“ seiner Veröffentlichungen in der Theorie und aus eigener praktischer Erfahrung, er wusste sehr genau, worüber er sprach. In allen drei Medien – Zeitung, Sprechrundfunk und Fernsehbeiträgen – zeichneten sich Sterns Beiträge aus durch geschliffene Sprache, präzise Definitionen und wunderbar formulierte Provokationen, die wirklich und zielgerichtet wachrütteln sollten. Diese Provokationen hatten Stil, waren (und sind immer noch), verglichen mit dem oft hirnlosen Gestammel in den heutigen „sozialen Medien“, sprachliche Edelsteine.

 

Mit seinen oft brillanten Beiträgen wollte Stern aufklären und aufrütteln, wollte Leser, Hörer und Zuschauer zum Denken und Handeln bewegen in den Bereichen Ökologie, Umwelt- und Naturschutz, Tierhaltung und Tierschutz. Dies ist Horst Stern, wenn man zurückschaut, leider nur partiell gelungen. Dies lag nicht an ihm, sondern an der Trägheit der Masse, der Masse der Bundesbürger und der von von diesen „erwählten“ Volksvertretern, sprich Politikern. Diese wollten insbesondere drei Gruppen nicht verärgern, die Vertreter der Wirtschaft und den Deutschen Bauernverband, der von sich selbst behauptete, die gesamte Landwirtschaft zu vertreten, was schon damals, also zu Horst Sterns aktiver Zeit, nur bedingt der Realität entsprach. Die dritte sehr bedeutsame Gruppe war die Jägerschaft, die gerade in maßgeblichen Wirtschaftskreisen, beim Adel und in der Forstverwaltung zahlreich vertreten war. Von der bundesdeutschen Interessenvertretung der Jagdliebhaber, dem damaligen Deutschen Jagdschutzverband (DJV, Sitz in Bonn, der damaligen Bundeshauptstadt) war  die Losung kreiert worden „Jagd ist angewandter Naturschutz“, worüber sich munter streiten ließe.

 

Beim Süddeutschen Rundfunk Stuttgart war ein Fernsehformat etabliert worden unter dem Titel „Sterns Stunde“ mit dem Untertitel ‚Bemerkungen über…‘ z. B. Pferde, Hunde etc. Binnen 60 Minuten vermittelte Horst Stern den Zuschauern eine neue Sicht auf Tiere und Natur, bestens recherchiert und ohne „oh, wie niedlich und süß“, sondern nüchtern-unsentimental aus Respekt vor Lebewesen und Natur

 

Heiligabend 1971 – der Termin war höheren Orts festgezurrt worden – wurden in Sterns Stunde "Bemerkungen über den Rothirsch" gebracht. Dieser Beitrag löste, wie man heute sagen würde, einen bundesweiten, orkanartigen Shitstorm seitens der vereinigten Jägerschaft aus. Dabei hatte Horst Stern nur mit klaren Worten und überzeugenden Bildern dargelegt, dass die Jäger mit ihrer Knochengier, sprich Trophäensucht, dem Wald und dem Wild einen Bärendienst der Sonderklasse erwiesen hatten: Waldschäden von Abermillionen verursacht durch ob der Trophäensucht total überhegte Rotwildbestände, die durch Schälen von Rinde und Verbiss von Trieben und Zweigen ganze Waldbestände ruinierten. Den Sollabschuss von Trophäenträgern erfüllten die Jäger durchweg problemlos, beim Abschuss der weiblichen Tiere versagten sie ganz erheblich!

 

Dabei war Stern kein absoluter Gegner der Jagd, nur wie sie vielerorts ausgeübt wurde, verdross ihn gewaltig und die Hybris der Jäger, sie wären der vollwertige Ersatz des von Jägern ausgerotteten Wolfes und anderer Beutegreifer.

 

Ohne Persönlichkeiten wie Horst Stern und seinen Mitstreitern wäre es in der Bundesrepublik um Umwelt-, Natur- und Tierschutz noch dürftiger bestellt als gegenwärtig. Immerhin existiert seit 1986 das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Allerdings ging die Gründung dieses Ministeriums weniger auf die Bemühungen von NGOs zurück, als vielmehr auf den wenige Wochen zuvor eingetretenen GAU, die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl (26. April 1986). Anscheinend bedurfte es einer solchen Katastrophe, um hartleibige Berufspolitiker zu längst überfälligem Handeln zu bewegen. 25 Jahre später konnte erst eine weitere Nuklearkatastrophe (Fukushima, 11. März 2011) der Bundeskanzlerin vermitteln, dass die Sicherheit von Atomreaktoren anscheinend doch keine absolute ist.

 

Horst Stern war Erklärer und Aufklärer besonderer Klasse. Es stimmt traurig und nachdenklich, dass seinem großartigen Engagement für Natur und Umwelt, seiner intelligenten, häufig durchaus harschen Kritik an untragbaren Zuständen in der Nutztierhaltung und seiner unsentimentalen, dabei fundierten Darstellung unterschiedlichster Tierarten kein wirklich durchschlagender Erfolg beschieden war. Unvermeidliches Schicksal des Rufers in der Wüste, des Propheten im eigenen Land, wer weiß…?

 

Als Skeptiker der totalen Digitalisierung behaupte ich: Internet & Co bieten eine Fülle von Informationsmöglichkeiten, werden den Durchschnitts-IQ der Bevölkerung allenfalls unwesentlich befördern. Und wer, wie auf der diesjährigen Grünen Woche geschehen, behauptet, die totale Digitalisierung der Landwirtschaft trüge wesentlich bei zur Erreichung des (durch politische Untätigkeit vermasselten!) Klimaziels, der beweist seine Unkenntnis in Fragen der Landwirtschaft oder versucht, das Wahlvolk hinters Licht zu führen.

Horst Stern hätte sich zu solchem Unsinn nicht hergegeben. Allein schon deshalb nicht, weil er a) präziser Sprache mächtig und b) kein Gaukler war, sondern ein Mensch, der sein Publikum respektierte.

Dies als Autor bester Fachliteratur und auch anspruchsvoller Belletristik. Erinnert sei nur an „Mann aus Apulien“, einer phantasievollen und hintergründigen Biographie des Stauferkaisers Friedrich II., der als Denker seiner Zeit weit voraus war.

 

 

Anmerkung: Der besseren Lesbarkeit wegen, wurde bei Personengruppen durchweg das Maskulinum verwendet.

 

KIANG, 24. Januar 2019