Der DJV veröffentlicht die AFN-Broschüre „Wildtiermanagement Wolf“ als PDF
In dem 2004 gegründeten Aktionsbündnis Forum Natur (AFN) haben sich 9 Spitzenverbände von Naturnutzern zusammengefunden, deren Motto etwas überspitzt lautet
„Privat vor Staat!“. Neben den 9 ordentlichen Mitgliedern, wie der DJV*, der DBV*, DFV*, FN*etc., gehören dem AFN weitere
8 Verbände als fördernde Mitglieder an, u. a. MIRO**, CIC**, Verbindungsstelle Landwirtschaft – Industrie e.V.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass AFN und DIE WALDEIGENTÜMER AGDW*** dieselbe Anschrift besitzen, denn Präsident von AFN und AGDW ist in Personalunion Philipp Freiherr zu Guttenberg.
Die insgesamt 17 Mitgliedsverbände der AFN kann man als Lobby-Verbände bezeichnen, die auf nationaler und auf EU-Ebene bestens verzahnt sind und Einfluss sowie Druck auf Gesetzgebungsvorhaben und
-verfahren ausüben (können). Im Januar 2019 hat das AFN eine 40-seitige Schrift veröffentlicht mit dem Titel „Neue Wege im Wolfsmanagement gehen“. Der fett gedruckte Vorspann hat folgenden
Wortlaut:
Landnutzer fordern Schutzjagd nach skandinavischem Vorbild. Grundlage soll eine wildökologische Raumplanung sein. Für die sich schnell ausbreitenden Wölfe wird ein Akzeptanzbestand
empfohlen
Bevor auf die „Schutzjagd nach skandinavischem Vorbild“ detailliert eingegangen wird, seien einige Bemerkungen zu der auf der Internet-Plattform des DJV eingestellten AFN-Broschüre erlaubt; siehe https://www.jagdverband.de/content/neue-wege-im-wolfsmanagement-gehen
Mit viel Bildmaterial ausgestattet – Fotos, Grafiken, Tabellen etc. – erweckt die Broschüre den Eindruck einer Gebrauchsanleitung gemäß „Wenn…, dann…“, ob das „dann“ auch wirklich eintritt, sei dahingestellt.
Einige Abbildungen muten etwas seltsam an: Zunächst die Abbildung 19, S.29: Da ist dem DBV die Kreation einer neuen Wolfspezies gelungen, nämlich des Europäischen Mähnenwolfs, Canis lupus
jubatus Rukwiek, 2018. Da dieser Wolf deformierte Hinterläufe aufweist, ist er keine Gefahr fürs Weidevieh.
Abb. 2, S. 7: Selbst bei starker Vergrößerung ist von einem Zaun o. ä. nichts zu entdecken. Die Schafe bewegen sich in mäßigem Tempo und die beiden Wölfe schauen trotz geringer Distanz zu den
Schafen ziemlich entspannt zu. Man könnte meinen, hier wären zwei Aufnahmen zu einer verschnitten worden. Fake picture?
Abb. 5, S. 11: Wolf verzehrt Schafkadaver. Wäre interessant, zu erfahren, wie und wo diese Aufnahme zustande kam.
Abb. auf S. 31: Wolf im Galopp begleitet galoppierende Schafherde wie ein Hütehund; zu schön um wahr zu sein! Verdacht auf fake picture.
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Erläuterungen
*DJV – Deutscher Jagdverband; DBV – Deutscher Bauernverband; DFV- Deutscher Fischerei-
Verband; FN – Deutsche Reiterliche Vereinigung
** MIRO – Bundesverband Mineralische Rohstoffe; CIC – Internationaler Rat zur Erhaltung des
Wildes und der Jagd
***AGDW – Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzer-Verbände
Günstiger Erhaltungszustand?
Bei dieser Frage scheiden sich die Geister; in der Bundesrepublik existieren zwei Lager deutlich unterschiedlicher Ansicht. Während das Bundesamt für Naturschutz (BfN) sowie die Mehrheit
der Umwelt- und Naturschutzverbände der Überzeugung sind, dass – bezogen auf die westpolnisch-deutsche Flachlandpopulation = Mitteleuropäische Flachlandpopulation – ein günstiger
Erhaltungszustand von Canis lupus noch nicht erreicht ist, geht das AFN von gänzlich anderer Prämisse aus: Für das AFN existiert dagegen eine baltisch-osteuropäische Großpopulation von
8000 erwachsenen Wölfen, womit ein günstiger Erhaltungszustand vorläge. Nach Ansicht der Vertreter des AFN gehört die westpolnisch-deutsche Wolfspopulation zur baltisch-osteuropäischen.
Herzog (2019), immerhin der wissenschaftliche Berater für das AFN-Papier, schreibt in „Wildtiermanagement“ auf Seite 31: „Wir müssen derzeit also davon ausgehen, dass die meisten Wölfe Europas zu
einer Ost-Mitteleuropäischen (Meta-)Population gehören, welche vom Ural über das Baltikum und Polen bis nach Deutschland reicht.“
Da also für das AFN ein günstiger Erhaltungsstand auch für den Wolf in Deutschland vorliegt, kann mit der Bewirtschaftung der Bestände begonnen werden, weil, wörtliches Zitat:
„Denn nur der durch das Eigeninteresse bedingte verantwortungsvolle Umgang der Bewirtschafter und Grundeigentümer bietet die Gewähr für einen erfolgreichen Umwelt- und Naturschutz.“ (https://forum-natur.de/ziele , S. 2)
Das Management-(Bewirtschaftungs-)Konzept für den Wolf des ANF beinhaltet eine Dreiteilung der Fläche der Bundesrepublik:
-
Wolfschutzareale: Truppenübungsplätze, große Waldgebiete ohne Weidetierhaltung.
Einwand: Da es in der Bundesrepublik nur wenige Truppenübungsplätze und große Waldgebiete gibt, die einem Wolfsrudel ausreichend Raum und Nahrung bieten könnten, gelangte das Gros der deutschen Wölfe automatisch in die folgenden Kategorien „Managementareale“ bzw. „Ausschlussareale“ und dies obwohl der hiesige Wolf in Anhang IV der FFH-Richtlinie geführt wird. Deshalb ist es verständlich, dass viele Jäger den Wolf lieber in Anhang V „ansiedeln“ möchten, was die Bejagung enorm erleichterte. Aber noch macht Brüssel die Schotten dicht!
-
Wolfmanagementareale mit Abschussplanung, wenn Akzeptanzgrenze des jeweiligen Bundeslandes erreicht/überschritten oder wenn Wölfe „auffällig“; Abschuss einzelner Wölfe oder auch ganzer Rudel. Welche Gremien und Institutionen legen die „individuellen Akzeptanzgrenzen“ fest? Und aufgrund welcher Kriterien wird von wem ein bestimmter Wolf oder gar ein ganzes Rudel als „auffällig“ (gleich vogelfrei) definiert und zur letalen Entnahme, sprich Abschuss, freigegeben? Welche Personen sollen die Terminator-Funktion übernehmen? Offene Fragen, auf welche die AFN-Broschüre aus Sicht des Natur- und Artenschutzes nicht unbedingt zufriedenstellende Antworten liefert. „Schutzjagden“ nach skandinavischem Muster, s. u.
-
Wolfausschlussareale: No-go-areas, wie urbane Siedlungen, der alpine Raum (Frage: Wie wird dieser punktgenau bestimmt?) sowie Weidetierhaltung mit großem Konfliktpotenzial. Territoriale Wolfsrudel werden nicht geduldet, wobei man sich fragt, ob es auch nicht-territoriale Wolfsrudel gibt?
Das Wolf-Management-Konzept des AFN ist nicht geeignet, in Deutschland einen günstigen Erhaltungszustand für die Tierart Grauwolf, Canis lupus Linnaeus, 1758, zu erreichen bzw. zu
bewahren.
Nach internationalen Kriterien (IUCN) spricht man von günstigem Erhaltungszustand, wenn in einer Population ≥1000 adulte Individuen, also an der Reproduktion teilnehmende Wölfe vorhanden sind.
Diese Zahl ist in der Zentraleuropäischen Tieflandpopulation (ZEP) noch nicht erreicht. Das BMU beschreibt den Erhaltungszustand als ungünstig – schlecht. (Quelle:
Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zur Lebensweise, zum Status und zum Management des Wolfes (Canis lupus) in Deutschland (https://www.bundestag.de/blob/393542/.../bericht-bmub-data.pdf ; Zugriff: 06-02-2019)
Auf S. 24 unten des Berichtes ist zu lesen:
Zusammenfassend ergibt sich aus Kapitel 4 und 5, dass
-
Die Einteilung der Mitteleuropäischen Flachlandpopulation als selbständige
Population gerechtfertigt ist, -
Der günstige Erhaltungszustand und damit das Ziel des Art. 2 der FFH-Richtlinie
nicht erreicht ist, -
Es daher als Konsequenz keinen Anlass gibt, den Schutzstatus des Wolfes zu verändern.
Schutzmaßnahmen
Während Braunbären, Ursus arctos Linnaeus, 1758, einen Teil ihrer Energie aus pflanzlicher Nahrung beziehen, sind Wolf und Luchs karnivor, also Fleischfresser, umgangssprachlich als Raubtiere bezeichnet. Ihr „Beruf“ ist es, andere Tier zu erbeuten, woher die etwas passendere Bezeichnung Beutegreifer (Prädator) stammt. Bevorzugte Beutetiere der auf dem Gebiet der Bundesrepublik lebenden Wölfe sind Rehwild (beiderlei Geschlechts), Wildschweine/Schwarzwild (bevorzugt Jungtiere), Rotwild (v. a. Jungtiere sowie kranke und sehr alte Stücke) sowie das eigentlich gebietsfremde Mufflon und, so sich die Gelegenheit ergibt, ungenügend geschützte Weidetiere (v. a. Schafe) und Gatter-„Wild“.
Da weit über 100 Jahre Wölfe nur sporadisch auf dem Gebiet der heutigen BRD auftauchten und bis 1990 rigoros abgeschossen wurden, bestand keine Notwendigkeit, Weidetiere gegen – von außen eindringende – Beutegreifer zu schützen. Allein Füchse (Schaflämmer) und streunende bzw. wildernde Haushunde konnten gelegentlich Schäden bei Schafen und Ziegen anrichten.
Mit der Wiederbesiedlung der Lausitz durch aus Westpolen eingewanderte Wölfe und der Etablierung der ersten Rudelterritorien änderte sich die Situation für die Schafhaltung grundlegend. Nur, die
Schafhalter (Berufsschäfer und Kleinhaltungen) waren (noch) nicht auf Wolf eingestellt, sodass die Wölfe recht problemlos empfindlichen Schaden anrichten konnten.
Aus den Negativerfahrungen seit etwa dem Jahre 2000 haben die Schafhalter gelernt. Bei Berufsschäfern mit Großkoppel-Schafhaltung gibt die Kombination von Elektrozaun mit hoher Spannung und die
Anwesenheit von geeigneten Herdenschutzhunden (HSH) rund um die Uhr ausreichende Sicherheit vor Wolfsattacken. Die Schutzmaßnahmen sind teuer, aber wenn das Bewahren von Offenlandschaften
gesellschaftlicher Konsens ist, haben Berufsschäfer Anspruch auf Kompensation. Würden bei den Europäischen Agrarsubventionen Gelder aus der ersten Säule (Zahlung je ha Fläche an den
Grundbesitzer) in verstärktem Maße in die zweite Säule (umweltverträgliche Landbewirtschaftung) umgeschichtet, stünden genügend Mittel bereit, erfolgreichen Herdenschutz zu betreiben.
Da bei kleinen Schafbeständen der Einsatz von Herdenschutzhunden obsolet ist, bleibt nur ein Weg: Tagsüber Weidenutzung der ordentlich eingezäunten Fläche und nächtliche Aufstallung der Schafe in wolfssicherem Stall.
Sollen Flächen mit seltenen und besonders schützenswerten Pflanzenarten durch Schafe gepflegt werden, ist die Hütehaltung die einzige vertretbare Möglichkeit, ein Fall wirklicher TINA (there is no alternative). Voraussetzung sind: Ausgeklügelter Behütungsplan, erfahrene BerufsschäferIn und bestens arbeitende Hütehunde sowie geeignete Schafrasse(n). Da die Herde zur Nacht aufgestallt wird, erübrigen sich wolfsichere Nachtpferche und Herdenschutzhunde. In Wolfgebieten könnte es u. U. zu gelegentlichem Verlust eines einzelnen Schafes durch den Wolf kommen. Verglichen mit dem Schaden, den ein Wolf in einer ungenügend geschützten Koppelschafherde anrichten kann, wäre ein solches Ereignis (Riss eines einzigen Schafes) ein nicht existenzbedrohendes Geschehen, für das es finanzielle Entschädigung gäbe, da Wolf als Verursacher.
Der Schutz von Schafen, die zur Deichbeweidung eingesetzt werden, ist ein noch nicht gelöstes Problem. Dies gilt auch für die Weidehaltung von Pferden und Rindern, wobei genetisch hornlose Rinderrassen oder enthornte Rinder einer Wolfsattacke wenig entgegen zu setzen haben. Ohne jeden Zynismus: Der Mensch bezeichnet sich als der intelligenteste Hominide. Wenn dem so ist, dann müssten mit Hilfe dieser Intelligenz praktikable Lösungen zum Schutz gegen Wölfe gefunden werden können.
Landnutzer fordern Schutzjagd nach skandinavischem Vorbild
Nachfolgend wird die Schutzjagd in Schweden ausführlicher dargestellt:
Um Schutzjagd zu beantragen, wendet man sich an die zuständige Landesregierung (Länsstyrelsen). Das Ersuchen zur Schutzjagd soll eigentlich schriftlich gestellt werden. Es kommt jedoch häufig vor, dass mündliche Anfragen zur Erteilung der Schutzjagd angenommen und entschieden werden.
Schutzjagd kann gemäß Jagdverordnung bewilligt werden, wenn drei Prämissen erfüllt werden:
-
Einer der unten aufgeführten Gründe muss vorliegen (s. u.)
-
Die Schutzjagd darf die Aufrechterhaltung des vorgegebenen Erhaltungsbestandes der jeweiligen Art in deren natürlichen Verbreitungsgebiet nicht erschweren.
-
Es darf keine andere angemessene Lösung vorliegen, welche die Notwendigkeit der Schutzjagd ersetzen könnte.
Die vier Gründe:
1. Mit Rücksicht auf die allgemeine Sicherheit und Gesundheit oder andere zwingende Gründe, die für die Allgemeinheit von übergeordnetem Interesse sind.
2. Aus Gründen der Flugsicherheit.
3. Das Verhindern von ernsthaften Schäden, insbesondere bei Saatgut, Tierbeständen, Wald, Fischen, Wasser oder anderem Eigentum.
4. Zum Schutz von wilden Tieren oder Pflanzen oder der Erhaltung von Lebensräumen solcher Tiere und Pflanzen.
Schrittweise Beurteilung der angestrebten Schutzjagd:
-
Ist es wahrscheinlich, dass unter den gegebenen Umständen ernsthafte Schäden entstehen können oder sich die Situation verschlechtert?
Antwort: nein – Antrag abgelehnt
Antwort: ja – weiter zu Schritt 2
-
Erschwert die Schutzjagd die Situation des günstigen Erhaltungsbestandes?
Antwort: ja – abgelehnt
Antwort: nein – weiter zu Schritt 3
-
Gibt es eine andere, angemessene Lösung?
Antwort; ja – Antrag abgelehnt
Antwort: nein – Schutzjagd kann erteilt/genehmigt werden.
In den sich stetig nach Süden ausweitenden Rentiergebieten der Samen kommt der Schutzjagd eine andere Bedeutung zu als im übrigen Schweden, wie nachstehende Beispiele aufzeigen:
Jagd wird häufig vom Hubschrauber aus durchgeführt (Beispiel vom 08-02-2019). Jagdzeitungen weisen immer wieder darauf hin, dass die Kosten für die Schutzjagd selbst getragen werden müssen.
Fakt ist jedoch, dass der Samenregierung (Sameting) ein Etat für solche Zwecke (Schutzjagd) zur Verfügung steht, den die betreffenden Samengemeinschaft in Anspruch nehmen können. Die
Samenregierung erhält wiederum Gelder vom Schwedischen Staat. Mithin bezahlen letztendlich die schwedischen Steuerzahler die Kosten der Schutzjagd.
Die Schutzjagd wird von den Landesregierungen – hier: Wildverwaltungsdelegation – genehmigt. Die Bestandsdichte einer Tierart darf nicht mit Hilfe der Schutzjagd auf einem bestimmten (niedrigen)
Niveau gehalten werden. Es gibt aber immer wieder Anträge zur Schutzjagd, die rein vorbeugende Maßnahmen darstellen, wie das nachstehende Beispiel zeigt:
○ Eine Samengemeinschaft will seine Rentiere auf eine Winterweide treiben. Man hat jedoch festgestellt, dass sich dort eine Luchsin mit zwei Jungen aufhält. Der Antrag auf Schutzjagd für diese
drei wird damit begründet, dass diese Luchse sich ernähren müssten. Wenn jetzt Rentiere in dieses Gebiet getrieben werden, ist davon auszugehen, dass die Luchse auch Rentiere als Beute nehmen.
Der Antrag auf Schutzjagd wurde bewilligt!
Eine Genehmigung auf Schutzjagd gegen drei Vielfraße wurde zunächst erteilt; gleiche Begründung wie bei den Luchsen. Die Schwedische Raubtiervereinigung (SRF – Svenska Rovdjursförening) hat Einspruch eingelegt und darauf hingewiesen, dass es nicht zulässig ist, Schutzjagd zu bewilligen, um den Bestand einer Tierart zu dezimieren. Dem Einspruch wurde stattgegeben, die „Schutzjagd“ musste abgebrochen werden.
Die Genehmigung zur Schutzjagd erscheint häufig sehr suspekt.
So wurde der Landesregierung Jämtland im Dezember 2017 das Recht auf Erteilung zur Schutzjagd auf den Vielfraß vom Bundesamt für Naturschutz entzogen. Die Landesregierung Jämtland hatte die
Schutzjagd auf 13 (in Worten: dreizehn) Vielfraße erteilt, mit der Begründung der vorbeugenden Schadensbekämpfung. Umgehend übernahm die Naturschutzbehörde die Annahme von Anträgen zur Schutzjagd
auf den Vielfraß.
Erst am 1. Juni 2018 erhielt die Landesregierung von Jämtland das Recht zur Erteilung von Schutzjagden wieder zurück.
Soviel zu der vom AFN favorisierten Schutzjagd in Skandinavien, genauer: in Schweden.
Lizenzjagd
Es ist schlichtweg falsch, dass in diesem Jahr (2019) die Lizenzjagd auf den Wolf durch Gerichtsbeschluss gestoppt worden ist. Vielmehr ist der schwedische Wolfsbestand in den vergangenen drei
Jahren zurückgegangen, ist allein im Berichtszeitraum von 2017 auf 2018 von
355 auf 305 Individuen gesunken, was einer Minderung um 14% entspricht. Dazu äußert sich Naturvårdsverket: „Da wir jetzt so wenige Wölfe haben, gibt
es keinen Raum für eine Wolfsjagd. Wir passen uns an die jetzigen neuen Voraussetzungen an, die der verminderte Wolfsbestand uns vorgibt.“ Es gab keinen Gerichtsbeschluss zu dieser
Entscheidung von Naturvårdsverket!
Schweden ist ein zentralistischer Staat, keine Föderation. Dies zeitigt erhebliche Konsequenzen, denn der Norden und die Jägerschaft lassen sich von Stockholm ungern etwas vorschreiben. Im Norden löst man das Raubtierproblem so oder so auf eigene Art und Weise.
In der AFN-Broschüre wird zwar von Schutzjagd geschrieben, angestrebt wird wohl eher eine Lizenzjagd ‚à la Sverige‘. Forum Natur geht bezüglich der Lizenzjagd von falschen Prämissen aus. Trotz der Lizenzjagd auf nach Anhang II und IV der FFH-Richtlinie in der EU geschützte Tierarten ist die Wilderei in Schweden nicht zurückgegangen. Ja, selbst vor laufender Kamera geben schwedische Jäger (Gesichter in zuvorkommender Weise verpixelt) offen zu, dass sie Wölfe und andere Groß-Karnivoren illegal verfolgen und töten.
Lizenzjagd kann in Schweden auch am Luderplatz erfolgen, unterstützt durch „synthetische und nur in Schweden hergestellte Lockmittel“. Fleisch von Haustieren darf nicht verwendet werden, ebenso
wenig Fleisch von Rentieren, da diese semi-domestizierte Hirschart offiziell zu den Haustieren gezählt wird.
Anzumerken ist, dass die Ren-Herden sich in den sog. Rentiergebieten, die immerhin über 50% der Fläche Schwedens ausmacht, frei bewegen können, ungestört von Zäunen und ohne Herdenschutzhunde,
die ehedem dem Wolf das Leben schwer machen konnten. Mit der Deklaration des gesamten Rentiergebietes zur wolfsfreien Zone können eventuelle Durchzügler per Schutzjagd letal entnommen
werden.
Jägerschaft dreht durch (Stand 11. Februar 2019)
Die Mindestanzahl von 27 Wolfsrevieren (gesamt etwa 270 Wolfsindividuen) soll auf 30 Rudel erhöht werden, was etwa 300 Wölfen entspräche also eine moderate Erhöhung.
Das sah aber die Jägerschaft und insbesondere der im Schwedischen Jagdverband für Raubtierfragen Zuständige, Gunnar Glöersen, ganz anders. In
übelster Weise polemisierte er gegen Abgeordnete und vor allem das schwedische Umweltbundesamt, das die moderate Erhöhung um drei Rudel beschlossen hat.
Die deutsche Jägerschaft, die ja besonderen Wert auf Deutsche Weidgerechtigkeit legt und Jagd gern als angewandten Naturschutz bezeichnet, täte gut daran, schwedische Verhältnisse bezüglich Verfolgung von Prädatoren nicht auf bundesdeutsche Gegebenheiten zu übertragen.
Wolfshybriden (S. 10/11 der AFN-Broschüre)
Der Annahme, Wolf-Hund-Hybriden könnten dem Menschen besonders gefährlich sein, widersprechen die (wenigen) bisherigen Erfahrungen. Insbesondere die Hybriden im NP Bayerischer Wald (2003) und
Thüringen (2018/19) zeigten bzw. zeigen große Scheu vorm Menschen und eben kein aggressives Verhalten.
Wenn allerdings Hybriden von verantwortungslosen Menschen als Haustiere gehalten und gezüchtet werden, ist Sicherheit von Menschen. nicht unbedingt gewährleistet
Verluste von Jagdhunden durch Wölfe (S. 12 der ANF-Broschüre)
In Deutschland ist bisher kein Jagdhund im Dienst vom Wolf getötet worden; anders dagegen in Schweden: Wenn der Jagdhund stundenlang über viele Kilometer auf der Elchfährte arbeitet,
natürlich außerhalb des Einflussbereichs des/der Jäger, sind in Wolfsgebieten Unfälle geradezu unausweichlich: Für den Wolf ist der Hund ein Eindringling und Nahrungskonkurrent, dem Paroli
geboten werden muss. Die Auseinandersetzung endet für den Jagdhund meistens fatal.
In Skandinavien können Hunde auch Braunbären, Luchsen und auch Steinadlern als Beute zum Opfer fallen.
In Deutschland mit seinem andersartigen Reviersystem ist für Jagdhunde im Dienst beim Überjagen die Möglichkeit, vom Reviernachbarn erschossen zu werden, größer als die Wahrscheinlichkeit,
von einem Wolf getötet zu werden. Ob dies so bleibt, wird die Zukunft weisen.
Bildung von Großrudeln bei Rot- und Damwild (S. 12 d. Broschüre)
Ob die Anwesenheit von Wölfen alleinige Ursache von großen Rudeln ist, sei dahingestellt. Die hohe Wilddichte eines Gebiets, einer Region ist zumindest Voraussetzung zu möglichen „Zusammenballungen“.
Nur zwei Beispiele:
○ Spätsommer 1996, Randbereich Colbitz-Letzlinger Heide, links der B189 Richtung Norden, auf
einem Kartoffelacker mindesten 30 Stück Rotwild, die beim Anhalten des Wagens in knapp 200 m
Entfernung sofort flüchtig abgingen. Und weit und breit kein Wolf als Ursache der
Massenansammlung.
○ NP Jasmund auf Rügen, garantiert frei von Wölfen! Im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends
dank Massenansammlungen von Damwild dank viel zu geringer Kahlwildabschüsse, Wechsel
glichen eher Rollbahnen und mehrjährige Buchen-Naturverjüngungen erinnerten an Bonsais.
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Alle an der AFN-Broschüre Beteiligten sind Jäger, sodass man sich nicht gänzlich des Eindrucks erwehren kann, es handele sich um ein Pro-domo-Werk, also fürs eigene Haus, den Deutschen Jagdverband e.V.
Eins steht fest: Der Wolf war, ist und wird immer ein stark polarisierendes Tier bleiben. Allein der in der Broschüre verwendete Begriff AKZEPTANZBESTAND bietet reichlich Stoff für zahlreiche Diskussionen und Auseinandersetzungen um diesen intelligenten Caniden namens Wolf.
Sein Manko: Er ist kein Vegetarier oder gar Veganer.
Emil und Kiang