Stellungnahme zu „Toter Wolf von Sellrain ist österreichische Schande“
Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Gros der österreichischen und deutschen Jägerschaft sich an Recht und Gesetz hält, so bleiben doch Fragen, ob Jagd angewandter Naturschutz ist? Dazu folgen weiter unten einige Anmerkungen.
Zunächst: Das „Enthaupten“ gewilderter Wölfe erfolgte auch in Deutschland verschiedenen Orts. Der oder die Täter demonstrieren damit ihre Missachtung gegenüber einer in der EU durch mehrere
Gesetze, Konventionen und Verordnungen hoch geschützten Wildtierart und demonstrieren zugleich auf niederträchtige Weise ihren Hass auf den Wolf. Zudem soll deutlich gemacht werden, was sie von
eventueller polizeilicher Ermittlung halten: gar nichts!
Es ist davon auszugehen, dass die gewilderten Wölfe von Jagdlizenz-Inhabern gewildert wurden. Gute Kenntnis des/der Reviere sind nötig und relativ hohe Sicherheit, als Gewehrträger nicht in
flagranti erwischt zu werden, Zudem muss der Täter wissen, wo und wie er die Chance hat, einen Wolf zu „erwischen“; dazu bedarf es mehr als nur eines Ansitzes, sei es abends oder frühmorgens.
Jagd ist angewandter Naturschutz, ist eine etwas fadenscheinige Behauptung. Gut, die Anlage von Hecken oder Remisen für Fasanen mag einigen Vogel- oder Insektenarten nützen, aber die Jäger schleppen seit Generationen bewusst oder unterschwellig ein Problem mit sich: Vorbehalte oder Abneigung gegen alle Säuger und Vögel, in die Kategorie „Raub“ fallen: Von Hermelin bis Dachs und Otter über Wolf, Goldschakal, Fuchs, Marderhund und Waschbär, dazu Luchs und Wildkatze sowie, wenn vorhanden, der Braunbär. Bei den Vögeln sämtliche Krähenvögel und Greifvögel sowie Falken. Im Alpenraum kommen noch Gänse- und Bartgeier (= Lämmergeier und Kinderräuber) hinzu sowie für Mitteleuropa allgemein die gefährlichen Fischräuber Kormoran und Graureiher (früher Fischreiher).
Jeder von Fuchs gerissene oder vom Habicht geschlagene für teures Geld „ausgewilderte“ Fasanenhahn ist nicht nur ein finanzieller Verlust, sondern der Verlust trübt natürlich auch Weidmanns Lust am Flintenschuss. Ein Trost für den Flintenjäger: Ein Sprung über den Kanal auf die britischen Inseln, um dort – natürlich gegen Entgelt – einen oder mehrere der dort alljährlich ausgesetzten 35 Mio. (in Zahlen: 35.000.000) Zuchtfasanen abzuschießen oder zur Abwechslung auch Moorschneehühner von denen jährlich 6 Mio. „ausgewildert“ werden.
Im Jägermagazin „Wild und Hund“ stellte kürzlich ein Revieroberjäger (also Berufsjäger) Überlegungen an, ob zum Schutz von Biolegehühner mit Freilauf nicht doch wieder der eine oder andere
Habicht oder Bussard letal entnommen werden sollte.
Soviel zu dem Slogan „Jagd ist angewandter Naturschutz“.
Unbestritten ist der Wolf ein Beutegreifer, der Probleme bereiten kann und der enorm polarisiert. Aber wozu hat die Evolution dem Menschen Intelligenz verliehen. Die Möglichkeiten zur Eindämmung von Problemen mit dem Wolf sind noch nicht vollständig ausgeschöpft. In ganz bestimmten Fällen (also äußerst selten!) ist ggf. der Abschuss eines ganz bestimmten und zu bestimmenden Wolfes in Betracht zu ziehen. Aber, wer ist in der Lage, den ganz bestimmten Wolf zu erkennen. Dem Wolf fehlt eben das typische, individuelle Fellmuster mancher Katzenarten, wie z. B. dem Luchs.
Um etwas sarkastisch zu enden: Vermutlich sind die Winter in Österreich so hart, dass kaum ein Wolf überleben kann. Denn wie sonst wäre es plausibel, dass in Deutschland mit etwa 230 Einwohnern/km² und hoher Dichte an Verkehrswegen die Wolfspopulation zügig gestiegen ist, während in Österreich mit etwa 100 Einwohnern/km² Wölfe ausgesprochen selten sind? Sollte Winterkälte als Ursache für derart geringen Wolfsbestand nicht ausreichen, dann sind andere Ursachen zu vermuten, z. B. dass einige Jagdscheininhaber die Jagd gerade nicht als angewandten Naturschutz verstehen, sondern als Lizenz zum Totschießen besonders geschützter Tierarten wie Bär, Wolf, Luchs und Bartgeier.
Und da man schwarz-schafige Weidgenossen nicht anzeigen will oder kann, muss eben das Gros der Jägerschaft mit den Schwarzen Schafen leben (Falsch verstandene Solidarität). Die Mentalität der bundesdeutschen Jägerschaft dürfte sich kaum von der der österreichischen Jäger unterscheiden.
Abschließend: Solange keine optimal ausgebildeten „SEK Wilderei und Artenschutz“ gebildet werden, werden diesbezügliche Straftaten und Vergehen weiterhin ihre Opfer (Bär, Wolf, Luchs) „produzieren“.
Gastautoren: FeliCITES August 2019
Kommentar schreiben
Wolfgang.SCHERZINGER (Sonntag, 11 August 2019 16:29)
ich glaube, dass die Aversion gegen den "Wolf" auch ein Ventil ist für alle, die von den realen Umwelt-Problemen überrollt werden, bzw. sowohl Überblick als auch Ideen für Auswege aus dem komplexen "Krisen-Konglomerat" verloren haben.
Abdrücken -bumm - und wenigstens EIN Problem scheint gelöst; ein Anfang scheint gemacht (?)