Vor ein paar Tagen stießen wir auf die Mitteilung eines emeritierten Professors:
„Bei der Wiederansiedlung - Bestandsaufstockung des Uhus in Deutschland hat man in den 70er Jahren Turkmenenuhus freigesetzt, weil wenn man schon investiert, dann sollen es auch gleich die schönsten und größten Uhus sein. Die Fremdgene können heute noch nachgewiesen werden“.
Eine interessante Information, die uns zu folgender Frage veranlasst: Warum wurde die Genetik der Harzer Luchspopulation nicht auf ihre Art- bzw. Unterartstatus, unter Einbeziehung der heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, untersucht und verglichen? Der Ökotypus Ostluchs, bzw. Unterarten aus Sibirien, haben messbare anatomische und ethologische Besonderheiten, die Anlass geben sollten, schnellstmöglich zu reagieren. Sind diese nicht bekannt oder sind diese bis heute nicht aufgefallen? So gibt man sich mit der unwissenschaftlichen Unterartbezeichnung Lynx lynx resinae für die Harzpopulation zufrieden und bezeichnet damit eine Neuschöpfung einer eurasischen Luchsunterart, die nur im Harz vorkommt, zwischenzeitlich leider auch in angrenzenden Bundesländern.
Durch die neueren Erkenntnisse und Erfolge in der genetischen Forschung wird die zoologische Systematik häufig in Frage gestellt. In etlichen Fällen widerspricht die genetische Analyse der klassischen Museumstaxonomie, bei der bisweilen nur ein Belegexemplar zur Artbestimmung/ -benennung vorhanden war. Bei nicht zu unterschätzender Zahl von Wissenschaftlern kann sich eine Art Hybris einstellen, wonach die klassische Taxonomie ein „alter Hut“ sei und allein die Untersuchung des Genoms unumstößliche Ergebnisse liefere. Aber bei der Bestimmung von Arten bzw. Unterarten „führen viele Wege nach Rom“; man hüte sich vor Scheuklappendenken!
Wir haben Sorge vor dem Tag, an dem die Genetiker den Ökotyp Ostluchs in und für Deutschland beschreiben müssen. Oder anders formuliert, seine Existenz zumindest genetisch nachweisen zu müssen. Alle Warnungen, die ab den 1970er Jahren und bis heute vorschnell abgetan wurden, müssten dringlicher denn je in eine offene und aktuelle Diskussion eingebracht werden. Eine zu starke Ausrichtung auf die noch junge Wissenschaft Genetik sollte mit mehr Besonnenheit verbunden sein. Hier ist zukunftsorientiertere und verantwortungsvollere Planung und Beurteilung bei der Auswahl und besonders der Erhaltung der bestehenden Populationen gefordert. Auch ein Umdenken bei der Auswahl der personellen Betreuung vieler Projekte sollte vorstellbar sein.
Wir haben uns erneut einige Bilder von Luchsen angesehen, aufgenommen von Waldbesuchern.
Über Jahrzehnte gesammelte morphometrische Daten und Erkenntnisse wurden nochmals vorgenommen und mit den jüngsten Eindrücken und Informationen verglichen. Es beschäftigt einen immerzu, wenn man heutige Projekte kritisch betrachtet. Ab 2000 wurde eine Luchspopulation im Harz aufgebaut. Die heute im Internet dokumentierten Luchse sind fast ausschließlich große, kräftig gebaute und unauffällig gezeichnete, grau – bis grauweiße Exemplare (Link). Insbesondere das von der Pelzindustrie geschätzte Winterfell ist auffallend hell bzw. weiß. In der vorliegenden Arbeit soll nicht detailliert auf anatomische Merkmale hingewiesen werden, auch spielen Unterschiede bzw. Auffälligkeiten im Verhalten hier nur eine nachgeordnete Rolle. Es geht ausschließlich um den Phänotyp dieser auffälligen Harzer Luchspopulation. Aus Sibirien ist bekannt, dass besonders die Unterart Jakutischer Luchs Lynx lynx wrangeli, und benachbarte Unterarten, wie L.l. wardi, L.l.kozlowi messbar größer sind, wobei in der Population die hellen, spärlich gefleckten Luchse überwiegen.
Das mit der Wiederansiedlung bzw. Bestandsaufstockungen befasste Projekt im Harz 2000 tendierte auffällig in Richtung Größe, Schönheit und die damit verbundene leichtere Verfügbarkeit aus kommerziellen Zuchtanlagen bzw. Zoologischen Gärten
Ein sehr gutes Beispiel hierfür waren die Wölfe im Schaugehege des NP Bayerischen Wald zur Zeit Erik Zimens. Ein Wolfs-Konglomerat bestehend aus Sibirischen Exemplaren (bezogen vom Alpenzoo Innsbruck), Slowakischen Wölfen (Tiergarten Brünn) und indischen Wölfen. Diese Wölfe kreuzten sich wild durcheinander. Auffällig groß wurden die Mischlinge aus Sibirien x Karpaten. Ihr Gewicht konnte die 75kg Grenze erreichen. Nach Abschluss von Zimens Forschungsarbeiten wurde von kompetenter wissenschaftlicher Seite darauf gedrungen, den Wolfsbestand abzustoßen und nur die reinen Slowaken zu behalten, die am ehesten in das Gebiet passten. Es gab einen Sturm von Entrüstung und scharfer Kritik (neudeutsch: shit-storm), weil diese Selektion eine rassistische Grundhaltung offenbare.
Selbst promovierte Biologen „vergessen“ oft die evolutiven Schritte, die zu lokalen Arten bzw. Unterarten, Ökotypen etc. geführt haben; sie glauben durch Ignorieren der Unterschiede „tolerant, weltoffen“ zu sein.
So wurden noch im Jahre 2003 Hybriden von Wolf x Hund als besonders wertvoll eingestuft, weil „echtes Wolfsblut“ in ihren Adern flösse. Es gibt in diesem Bereich (Wolfhybriden) selten objektive Entscheidungen; vielleicht wirkt im Unbewussten Jack Londons „Wolfsblut“ nach.
Artenschutz ist heute eine Frage von Projekten. Und diese Projekte sind abhängig von Geld, viel Geld.
Ein bekanntes Rauhfußhuhn-Projekt (Birkhuhn-Rhön) wurde von fast allen Fachleuten abgelehnt.
Indes, durch gute Bezahlung ließ sich doch noch jemand verleiten, ein Gutachten zu erstellen. In dem die Freilassung von Raufußhühnern befürwortet wurde, wenn die Lebensräume ein Bestandspotenzial von 500 Hühnern entwickelten. Das haben die beteiligten Aktivisten als Aufforderung zur Freilassung gesehen, weil es ohne Hühner ja keinen Anlass gibt, Lebensräume zu entwickeln und auch keine damit verbundene Finanzierung. Man schiebt laufend Hühner aus Schweden nach, da man sich nicht eingestehen kann und will, dass die bisherigen Investitionen vergeblich gewesen sind; ein sich selbst dynamisierender Zyklus. Die seit fast vierzig Jahren betriebene biologisch unsinnige Prädatoren-Bekämpfung, die an das Projekt gebunden ist, wirkt doppelt belastend. Der Prädatoren-Bekämpfung fallen u.a. besonders geschützte Arten zum Opfer, ein bemerkenswerter und einmaliger Vorgang. Hier werden Gesetze außer Kraft gesetzt, Verordnungen umgangen und ökologische Zusammenhänge einfach leichtfertig missachtet. Je mehr man investiert, d.h. Birkhühner aus Schwedens Restpopulation importiert, Füchse und Habichte fängt und nebenbei auch Touristen verscheucht, desto weniger kann man aufhören. Das Einstellen des Projektes käme dem Eingeständnis einer ganzen Reihe von Fehlleistungen, also Versagen auf ganzer Linie gleich.
Die Wildland Stiftung (eine Einrichtung des BJV), die Träger dieses Aussetzungsgeschäftes ist, unterstützt den Fang von Wildtieren in Schweden, obwohl sie genau darüber informiert ist, dass im Ursprungsland gegenwärtig durch die Forstwirtschaft und die Holzindustrie ein erbärmlicher Raubbau praktiziert wird, mit äußerst negativen Folgen für Raufußhühner. Gleichzeitig bucht man Jagdreisen auf die selben Rauhfußhühner oder vermittelt diese in die betroffenen skandinavischen Gebiete zu einem hohen Preis. (Link-Jagd-Rauhfußhühner)
Betroffene Einwohner Schwedens sprechen von Rücksichtslosigkeit und wehren sich verzweifelt. Die IUCN - Richtlinien (2013) fordern ein „Ausstiegs – Szenario“, falls sich der Erfolg bzw. die Gesamtentwicklung nicht planungs- gemäß einstellt. Dies würde einigen Mut kosten, weil die Geldgeber keine Negativmeldungen wollen.
In den 70er Jahren wurde man z.B. scharf kritisiert, wenn man Auerhühner aus Schweden in einer Zuchtstation für die Bestandsaufstockung hielt. Als „Ersatz“ wurden Küken „wilder“ Auerhühner im Nationalpark Bayerischer Wald eingefangen und für die Zucht aufgezogen. Naturentnahme pur!
Zurück zu den Luchsen. Die auffällig hellen, großen Exemplare beherrschen z.Zt. das Luchs-Konglomerat und die damit verbundenen Ausbreitungstendenzen dieser Kleinkatze in Deutschland. Auffällig, an Menschen gewöhnte Exemplare werden im Internet immer wieder dokumentiert. Sie scheuen nicht die menschliche Nähe, suchen Schulhöfe (Link) auf oder lassen sich an stark befahrenen Straßen filmen (Link). Auch folgen sie Waldbesuchern, die mit Hunden unterwegs sind und lassen sich „bereitwillig“ lange filmisch dokumentieren (link hier und hier). Aus Nordamerika ist bekannt, dass besonders Rotluchse (Lynx rufus) immer mehr zu Kulturfolgern werden(Link hier und hier). Sie ziehen ihren Wurf in Scheunen oder in unmittelbaren Nähe zu bewohnten Grundstücken auf. Außer unbeaufsichtigten und leicht zugänglichen Kleintieren der häuslichen Umgebung, haben auch Hauskatzen und kleine Hunde darunter zu leiden. Der neue Wurf der Rotluchskatze erfährt eine irreversible Prägung durch die menschliche Nähe und die damit verbundenen Zivilisationsvorteile, wie der leichteren Zugänglichkeit der Nahrung. Der Verbrauch und die Nutzung von „freier Fläche“ durch Homo sapiens in Amerika (und nicht nur dort) ist erschreckend hoch. Die Erschließung und Kultivierung der Landschaft ist verbunden mit einer zwangsweisen Zunahme von immer mehr anpassungsfähigeren Kulturfolgern.
(„Tier, reines Tier, ist nur das wilde“, sagt Ortega)
Die Ausbreitungsmöglichkeiten vieler Arten, besonders der des Luchses, wird heute in Deutschland durch Computermodelle erstellt. Bei genauerer Betrachtung erweisen sich die Waldflächen als zum Teil winzige Oasen eingerahmt in ein immer dichter werdendes Straßennetz. Ein Dilemma der künstlichen Intelligenz. Untergeordnet wird der noch unbebaute Raum in die Ausbreitungs- bzw. Nutzungsbestrebungen der Menschen und ihrer Bedürfnisse. Tödliche Fallen für Luchs, Wolf und Co. „Infrastrukturbdingte Mortalitätsrate“, eine der Situation angepasste neue Wortschöpfung versucht die Situation wissenschaftlich korrekt zu rechtfertigen. Der Verbrauch an Raum erreicht jedes Jahr immer höhere Werte. Parallel dazu steigt die Menge der tödlich verunglückten Wildtiere, auch die der besonders geschätzten Arten. Die Voraussetzungen für die Wiederansiedlung vieler Arten haben sich verändert. Immer mehr bewaldete Flächen müssen volkswirtschaftlichen Zwängen und energiestrategischen Anforderungen weichen.
Natur- und Artenschutz kann ohne Mithilfe von einsatzbereiten Amateuren wenig ausrichten; die zuständigen Behörden „schauen eher zu“, ihnen fehlt es oft an kompetenten Fachpersonal und…Naturschutz hat in der EU recht selten Priorität.
Dies meinen Emil und Kiang
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